Dienstag, 12. Januar 2021

Den Sommer kannst du auch nicht aufhalten von Dimitri Verhulst

Erscheinungsdatum: 20.03.2019    
Verlag: Oktaven in Freies Geistesleben Verlag
ISBN: 9783772530104
Fester Einband
Seiten:
138
  
Leseprobe



 
Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 


Inhalt: Zu seinem 16. Geburtstag wird Sonny, ein Junge mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen aus dem Pflegeheim von Pierre abgeholt. Diesmal wird es kein kurzer Spaziergang, sondern ein ganz besonderer Ausflug. Pierre "entführt" Sonny an einen seiner Lieblingsorte in die Provence, um dem Jungen und dem Leser eine bewegende Geschichte zu erzählen.

Dimitri Verhulst macht es dem Leser im Einstieg nicht leicht. Seine Erzählung startet mit Beleidigungen gegenüber einem körperlich stark beeinträchtigten Jungen, der vom Hauptprotagonisten Pierre mehr als verletzend behandelt wird.

 " 'Vegetativer Idiot?' Nun ja, das Etikett, das er diesem Produkt eines reichlich schieläugigen Schöpfers damit verpasste, war vielleicht nicht das wissenschaftlich korrekteste.'"

Hier hätte ich tatsächlich fast abgebrochen, weil mich die Worte sehr abgestoßen haben. Dann beginnt aber erst die eigentliche Reise und mit ihr die Geschichte.  

Pierre holt Sonny regelmäßig im Pflegeheim ab, um ihn im Rollstuhl durch den Park zu schieben. Der Junge kann nicht sprechen, sich nicht durch Mimik verständlich machen. Zum 16. Geburtstag, den Sonny laut Diagnose gar nicht erreichen sollte, fährt Pierre mit ihm nach Avignon. Die Fahrt wirkt ungeplant, spontan. Weder ist das Heim informiert, noch gibt es Medikamente oder notwendige Hygieneartikel. Nichtsdestotrotz sucht Pierre eine Unterkunft für die Nacht und kümmert sich recht unprofessionell um die Bedürfnisse des Jungen.

Ausgerechnet auf einen Berg zieht es Pierre. Da es mit dem Rollstuhl undenkbar ist, trägt er Sonny hinauf, um anschließend noch einmal zurückzugehen, um den Rollstuhl zu holen. Hier auf dem Berg beginnt Pierre von Sonnys Mutter zu erzählen. Plötzlich wird dieser grobe Zyniker weich und zeigt Emotionen. Der ewige Schwerenöter, dem die Liebe bis dahin fremd war, verliebte sich in eine deutlich jüngere Frau. Dieses Kennenlernen, Abtasten und Aufsicheinlassen ist sehr klar und spürbar beschrieben. Sie waren glücklich, hatten Zukunftspläne, liebten die Provence und das Leben. Und doch spürt man diesen Schatten, der sich in den Sätzen verbirgt. Obwohl er sie so liebt, erwähnt er niemals ihren Namen. 

Je länger er erzählt, desto vertrauter ist der Umgang mit Sonny, er nimmt den Jungen klarer wahr, achtet auf dessen wenige Bewegungen und nimmt ihn als Person wahr. 

Die Handlung schlägt eine unerwartete Richtung ein, weckt beim Leser Gefühle und macht nachdenklich. Dieses "Was wäre wenn", was jeder im Leben schon erlebt hat, ist plötzlich sehr präsent.

Mich hat diese kurze Erzählung unerwartet bewegt.


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