Dienstag, 31. Januar 2023
Der Fußgänger von Wigald Boning
Freitag, 27. Januar 2023
Über die See von Mariette Navarro
"Man zerreißt das Wasser nicht wie ein Stück Stoff, hinterlässt keinen Abdruck wie im Sand oder Schnee. Wer ins Wasser taucht, ist zur Unsichtbarkeit verdammt."
Die Stimmung kippt, als jeder für sich entdeckt, wie klein und allein er inmitten der Untiefen ist. Plötzlich verweigern Wellen die Sicht auf das Rettungsboot und erst als alle wieder an Bord sind, können sie ihr Abenteuer kaum fassen.
Der gekonnte Perspektivenwandel lässt die Szene noch eindringlicher wirken. Die Kapitänin an Bord, die ihre spontane Entscheidung anzweifelt und sich nicht sicher sein kann, ob die Mannschaft vollzählig zurückkehren wird.
Die Seeleute zählen ihre Reihen durch und stellen mit Erstaunen eine Zahl fest, die nicht stimmen kann. Ab hier wird die Handlung fast mystisch und genauso undurchdringbar wie der Nebel, der sich wie ein Vorhang dicht um das Schiff legt. Selbst die Motoren kommen nicht dagegen an. Der Frachter wird immer langsamer und mit ihm der Verstand der Kapitänin. Fast wie ein unterschwelliger Spuk, bei dem man jederzeit auf etwas Schlimmes wartet.
Sie spürt den ungleichmäßigen Rhythmus des Schiffes und spricht besänftigend mit diesem Metall-Koloss, gibt ihm etwas Lebendiges. Zum Ende stellen sich immer mehr Fragen. Was passiert wirklich oder entspringt nur der Fantasie. Der Autorin gelingt es, die Handlung genauso langsam auslaufen zu lassen, wie die Motoren an Kraft verlieren.
Dieser Roman ist eine überraschende Gefühlsachterbahn in leisen Tönen. Ein Leseerlebnis.
Montag, 16. Januar 2023
Die Liebe an miesen Tagen von Ewald Arenz
"Es war, als hätte er sich die ganze Zeit verfahren, um schließlich völlig überrascht festzustellen, dass er genau dort angekommen war, wo er von Anfang an hingewollt hatte."
Von der anfänglich leichten Welle des Verliebtseins getragen, wechselt die Handlung zu ernsten Themen, die die beiden Liebenden nicht mehr ganz so ungezwungen bewältigen können. Hürden müssen genommen werden, lange Gespräche ohne Ergebnis folgen und Missverständnisse mit daraus resultierenden emotionalen Verletzungen scheinen zum Unausweichlichen zu führen.
Man wünscht sich so sehr, dass Clara und Elias ein Paar werden und doch fühlt man auch ihre Zerrissenheit. Eine dramatische Wendung macht noch einmal deutlich, dass Gefühle dann am deutlichsten hervortreten, wenn Alltägliches die Priorität verliert und man sich auf das Wesentliche im Leben besinnt.
Ich habe versucht, den Roman so langsam wie möglich zu lesen, um mich von den Worten tragen zu lassen, am Ende habe ich aber doch jedes Kapitel nur so im Flug genommen. Es war schön und aufwühlend zugleich, und ich freue mich schon jetzt auf den nächsten Roman des Autors.
Donnerstag, 12. Januar 2023
Die Unverbesserlichen – Der große Coup des Monsieur Lipaire (Die Unverbesserlichen 1)" von Volker Klüpfel und Michael Kobr
Das Autorenteam Volker Klüpfel und Michael Kobr wendet den Alpen den Rücken zu und startet eine neue Krimireihe in Südfrankreich. In der Gaunerkomödie weht ein Hauch Nostalgie durch die Handlung. Ich hatte Figuren wie Inspektor Clouseau oder den Schauspieler Louis de Funès beim Hören im Kopf. Die Protagonisten sind dann auch alle herrlich skurril, schräg und überzeichnet. Dass man sich diese Figuren so gut vorstellen kann, liegt vor allem an dem humorvollen Sprachklang des Sprechers Axel Prahl. Jede Figur bekommt eine eigene Stimmfarbe. Besonders die quiekende Stimme des Ex-Fremdenlegionärs Paul Querot und der wienerisch versnobte Dialekt der 84-jährigen Lizzy haben mir sehr gefallen.
Die Schönen und Reichen an der Côte d’Azur bekommen hier ihr Fett weg. Die einheimischen Anwohner scheinen alle eine eigene Art entwickelt zu haben, mit den dekadenten Zugezogenen zu leben. Der eine nutzt die Gärten, die er betreut, gleichzeitig als Cannabisplantage, der andere vermietet Ferienhäuser, ohne die Besitzer davon zu informieren. Die Handyladenbesitzerin nimmt es mit dem Datenschutz nicht so genau und Ticketverkäufer bieten Fahrkarten für Fähren an, die es gar nicht gibt. Alles mit einem zwinkernden Auge erzählt und durch durchweg sympathische Charaktere so humorvoll erzählt, dass man sich die Szenerie an diesem herrlichen Küstenort bildlich vorstellen kann.
Der Einstieg ist lustig und Monsieur Lipaires alias Wilhelm Liebherr besticht durch Charme und Bauernschläue. Es gibt in jedem Kapitel etwas zum Schmunzeln, denn dieser bunt zusammengewürfelte Ganoven-Haufen kommt auf die aberwitzigsten Ideen, um das Rätsel des Schatzes zu lüften. Als Gegenspieler dieses Teams kommt die Adelsfamilie Vicomte ins Spiel. Dem Klischee entsprechend besteht die Familie aus einem alten Herrn, einer überengagierten Geschäftsfrau, einer verwöhnten Tochter, einem Lebemann und Trinker und einem abtrünnigen Sohn, die gemeinsam einen geheimnisvollen Monsieur Barral erwarten. Dieser ist eine Schlüsselfigur, der immer wieder in den unmöglichsten Momenten sehr speziell auftritt.
Ein wenig verliert sich die Handlung und man ist sich nicht sicher, ob es sich noch um einen Krimi mit einem Toten oder doch eher um eine Komödie rund um einen Schatz handelt. Es gibt eine Verfolgungsjagd, die filmreif jedem Bond-Film das Wasser reichen kann und weniger erfolgreiche Manöver, die etwas zäh und langatmig erzählt werden.
Bei meiner Bewertung bin ich deshalb auch ein wenig hin- und hergerissen. Gaunerkomödien sind schon fast ausgestorben und verdienen es, erhalten zu bleiben. Doch einige Szenen konnten mich so gar nicht abholen. Dass es mir dennoch gefallen hat, liegt auch an der tollen Leistung des Hörbuchsprechers.
Als Krimireihe kann ich mir das Team "Der Unverbesserlichen" nur schwer vorstellen, lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen.
Montag, 9. Januar 2023
Tomatidin von Michael J. Scheidle
Durch die wenigen Seiten und den fluffigen Stil kann ich mir den Krimi gut als Begleiter für lange Zug- oder Flugreisen vorstellen.
Freitag, 6. Januar 2023
Miss Veronica und das Wunder der Pinguine von Hazel Prior
"Wie ist es möglich, dass dieses erbärmliche, schmierige, drogenberauschte Geschöpf mein leiblicher Enkel ist?"
Entschlossen, diesem Nichtsnutz keinen Cent zu hinterlassen, kommt Veronica die Idee, einem Forschungsprojekt ihr Vermögen zu vermachen. In einer Reportage hat sie einen Bericht über Adeliepinguine gesehen, der sie begeistert. Spontan nimmt sie ihr Vorhaben in Angriff und plant einen Besuch der Forschungsstation. Es ist beeindruckend und witzig, wie zielorientiert und beratungsresistent die alte Dame ihren Plan in die Tat umsetzt. Selbst als die Forscher ihr klar machen, dass eine 86-Jährige nichts in der Arktis verloren hat, bleibt sie resolut und lässt sich auch nicht durch schlechtes Essen oder sanitäre Unzulänglichkeiten abschrecken.
Nach und nach wird deutlich, dass die beeindruckende Charakterstärke, der eiserne Wille und die harte Schale Veronica Jahrzehnte lang vor ihrer Vergangenheit geschützt haben. Fern der schottischen Heimat lernt sie loszulassen und sich zu öffnen. Ein Pinguin-Waise wird für sie zur neuen Aufgabe und unbeeindruckt aller Verbote durch die Forscher zieht sie den kleinen Pinguin in der Station auf.
"Die Pinguine verströmen Lebensfreude. ... Trotz ihres Lärms, ihres Geruchs und ihrer enormen Mengen Guano mag ich Pinguine schon jetzt viel lieber als Menschen."
Es ist vielleicht eine Spur zu viel an unglaubwürdiger Eigeninitiative, die Veronica an den Tag legt. Etwas zu wenig Gegenwehr von den Forschern, die die Anwesenheit der alten Dame in der Arktis akzeptieren. Aber der herzerfrischende Erzählstil der Autorin macht diese Punkte mehr als wett. Dem wiedergefundenen Enkel mit eigenem Handlungsstrang hätte es gar nicht bedurft, um diese Geschichte unterhaltsam zu gestalten.
Interessant sind die Texte der Forscherin Terry, die als Pinguin-Blog-Einschübe die Handlung begleiten. So erfährt man ganz nebenbei noch etwas über das erstaunliche Leben der Pinguine.
Mich hat dieser Roman gut unterhalten und zum Schmunzeln gebracht.
Mittwoch, 4. Januar 2023
Zur See von Dörte Hansen
"Und Hanne hängt an diesem Brocken Land, sie weiß nur manchmal nicht, ob dies noch ihre Insel ist. Vielleicht gehört sie längst den Wellenreitern und den Wolkenmalern, den Nacktbadern und Muschelsuchern - oder den Eintagsfliegen, die in Schwärmen jeden Tag vom Festland kommen, eine Inselrunde mit der Pferdekutsche drehen, Kaffee trinken in der Leuchtturmstube, weiterzuckeln Richtung Inselkirche, Vogelkoje und Museum, einmal kurz die Promenade rauf und runter, Abendessen im Klabautermann und mit der letzten Fähre wieder auf das Festland, wo die Reisebusse auf sie warten."
Inselbewohner führen in Trachten und Seemansskluft für Inselgäste tagein, tagaus ein Stück auf, an das sie selbst nicht mehr glauben und selbst der Inselpastor Matthias Lehmann inszeniert seine leidenschaftlichen Predigten mit goldbestäubten Muscheln, bis die Saison zu Ende ist und seine Kirchenbänke sich wieder leeren.
Trotz meiner Liebe zum Meer und deren Inseln werde ich wohl nie wieder eine Insel betreten, ohne an die Menschen zu denken, die uns Gäste ertragen müssen und deren Welt eine andere geworden ist.
Es ist ein düsterer Roman, der wenig Licht zulässt. Aber die Intensität der Worte, die Beschreibung der Natur und die Kraft des Meeres und die wundervollen kantigen Charaktere haben mich einfach begeistert. Für mich eine klare Hörempfehlung.
Die guten Frauen von Safe Harbour von Bobbi French
"Rings um mich herum Wasser, das einen unglaublichen Durst stillte, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich ihn hatte. Ich hatte dem Ozean die Stirn geboten und gewonnen, mein Preis ist diese Heimkehr, von der ich jetzt wusste, dass ich sie verdiente."
Dieser Roman hat mich sehr berührt und auch nachdenklich gestimmt. An jeder Lebens-Wegkreuzung sollte man kurz innehalten und überlegen, ob es der richtige Weg ist. Vor allem sollte man aber Menschen, die einem am Herzen liegen, nicht zu schnell aufgeben.
Bis auf einige wenige Längen und sehr kleine überemotionale Stimmungen ist es ein sehr gelungener Roman. Leseempfehlung.
Montag, 2. Januar 2023
Der Strand: Vermisst von Karen Sander
"Der ganze Fall ist so undurchsichtig. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, im Nebel herumzustochern."Die angekündigte Hochspannung des Klappentextes habe ich in diesem Band nicht entdecken können. Dies ist der erste mehrteilige Roman, den ich gelesen habe, der mit keinem eindeutigen Ende oder einer halbwegs zufriedenstellenden Zwischenlösung daherkommt. Mich lässt das Gelesene unzufrieden und nicht mit Spannung auf die Fortsetzung zurück.