Sonntag, 31. Januar 2021

Der Weltreporter von Hannes Stein

Erscheinungsdatum: 11.02.2021    
Verlag: Galiani Berlin
ISBN: 9783869712352
Fester Einband
Seiten:
352
  
Leseprobe








 
Meine Bewertung: 3,5 von 5 Punkten 


Inhalt: In naher Zukunft beherrscht "die Krankheit" das Leben in Deutschland. Wenige Menschen sind unterwegs, Kontakte sind unerwünscht. Da trifft es sich gut, dass ausgerechnet Reisereporter Bodo von Unruh und Studentin Julias Bacharach immun gegen die Krankheit sind. In einer Hotelbar lernen sich der ältere von Unruh und die quirlige Julia kennen. Er ist nicht ihr Typ, zu alt, macht optisch wenig her. Doch am Ende siegt die Neugier auf einen neuen Menschen und die beiden treffen sich häufiger, wenn auch nicht oft, denn der Reporter ist überall auf der Welt unterwegs, um neue Reiseberichte für ein Hochglanzmagazin zu schreiben.

Hannes Stein hat ein Szenario entworfen, das gerade jetzt hoch aktuell ist. Obwohl er versichert, den Roman vor Ausbruch der Corona Pandemie geschrieben zu haben, sind doch viele Parallelen zu entdecken. Seine beiden Hauptprotagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein, ein Weltenbummler und Einzelgänger trifft auf eine junge Studentin, die nebenher als Taxifahrerin jobbt. Ihre Treffen sind nicht häufig, dienen aber als Rahmenhandlung des Romans, der eigentlich mehr als Kurzgeschichtensammlung gesehen werden kann.

Zusammen mit seinem Fotografen bereist der Reporter die ganze Welt und erlebt überdurchschnittlich Skurriles, Fantastisches und lernt unglaubliche Menschen kennen. Er spielt mit den Emotionen des Lesers, gibt Rätsel auf und legt den Finger auf gesellschaftliche Wunden.

Der Besuch eines nur durch Einladung und einer horrenden Summe als Eintritt zu erreichenden Restaurants ist so ein Beispiel. Narkotisiert, um den Ort des Geschehens nicht wiederzufinden, erreicht der Gast eine Lagerhalle statt eines Nobelrestaurants. Die Menüfolge ist festgelegt und lautet wie folgt:

 "Mehlwurmcocktail im Buffelgras, Aalsuppe mit tausendjahrigen Ei, Lauwarme Vogelnest mit Catsup, Fliegenpilsrisotto mit Hakarl, Kandierte Dachsohren, Eskimo Eiskrem, Funferlei von Langschwein, Achtschatze Reispudding"

Nichts, bei dem einem das Wasser im Mund zusammenlaufen würde, aber ein Gang hat es tatsächlich mehr als alle anderen in sich. Nicht gerade mein Lieblingsreisebericht.

Selbst die kleine Liebesgeschichte nimmt am Ende eine überraschende Wendung, mit der ich so nicht gerechnet habe. Desto näher sich die beiden Liebenden kommen, um so offensichtlicher wird es, dass Bodo etwas zu verbergen hat.

Dem Autor ist es gelungen, mich mehrmals zu schocken und auch innezuhalten. Nicht alles, was ich gelesen habe, hat mich tatsächlich begeistert. Manchmal wurde mir zu sehr herumphilosophiert oder das blaue vom Himmel gelogen. Dennoch trifft er mit seinen Geschichten genau den Puls der Zeit, ob es um einen amerikanischen Präsidenten geht oder um eine geheime Stadt, die von künstlicher Intelligenz gesteuert wird, es stimmt nachdenklich.

Mittwoch, 27. Januar 2021

Der Tausch – Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg. von Julie Clark

Erscheinungsdatum: 11.01.2021    
Verlag: Heyne
ISBN: 9783453424975
Flexibler Einband
Seiten:
400
  
Leseprobe








  
Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 


Inhalt: Die Chance, ein neues Leben zu beginnen, begleitet Claire und Eva, als sie sich unabhängig voneinander auf dem Flughafen JFK in New York befinden. Claire flieht vor ihrem gewalttätigen Ehemann, der ihr durch seinen politischen und finanziellen Einfluss keinen Ausweg lässt. Eva sucht einen Neuanfang, um sich aus den Fängen des Drogenmilieus zu befreien. Nach einer spontanen Begegnung beschließen die Frauen, ihre Flugtickets zu tauschen, nichts ahnend, was sich daraus entwickelt.

Julie Clark versteht es, die beiden Hauptprotagonistinnen gekonnt in Szene zu setzen. Sie spielt mit Emotionen, Ängsten und Hoffnungen. Zwei völlig unterschiedliche Frauen, die durch einen Zufall den gleichen Wunsch hegen: Flucht aus dem bisherigen Leben. In zwei Handlungssträngen begleitet man die zwei Frauen. Claire schildert ihre gegenwärtigen Erlebnisse in der Ich-Form, Evas Erlebnisse werden dagegen im personalen Erzählverhalten Monate zurückliegend bis zum Tickettauschtag geschildert. 

Gefesselt verfolgt man das Geschehen und bangt mal um die eine, dann um die andere. Ihre Chancen aus der Situation heil herauszukommen, stehen schlecht. Beide Protagonistinnen versuchen eine Fassade aufrecht zu erhalten, die schon längst zu bröckeln begonnen hat. Die gut situierte strahlende Ehefrau eines erfolgreichen Politikers, die täglich damit kämpft, ihre Blessuren zu verbergen. Auf der anderen Seite eine gescheiterte, einst erfolgversprechende Chemiestudentin, die ihre Drogenküche hinter einer biederen Alltagsfassade zu verstecken versucht und ihre Ängste kaum noch unterdrücken kann. Es geht um starke Frauen, die sich befreien wollen. 

Männer spielen hier eher die "bösen" Nebenrollen, ob als unberechenbarer gewalttätiger Ehemann oder als Drogendealer, der kein Mittel auslässt, um Eva unter Druck zu setzen. Hauptakteure sind Frauen in unterschiedlichsten Positionen. Sie unterstützen sich gegenseitig, geben sich Halt, haben Verständnis füreinander. Die beste Freundin, die für Claire die Flucht mit organisiert, die nette Coffeeshop-Bedienung, die einen Job vermittelt, weil sie Claires Hilflosigkeit erkennt. Eine Professorin, die für Eva Verständnis aufbringt, obwohl diese alles andere als freundlich zu ihr ist. Eine überraschende Frau, die anfänglich wohl niemand als Unterstützerin im Blick hatte und für einen besonders spannenden Plot sorgt. 

Durch die zeitlich unterschiedlichen Perspektiven wird der Spannungsbogen langsam, aber stetig aufgebaut. Man fiebert dem entgegen, was man befürchtet und hofft auf einen Ausweg. Beiden Frauen gönnt man ein Happy End, das tatsächlich bis zum Schluss offenbleibt. 

Dieser ungewöhnliche Frauen-Thriller spielt mit weiblichen Ängsten. Mir fiel es nicht schwer, mich in die beiden Personen hineinzuversetzen und mit ihnen zu hoffen und bangen. Daher von mir eine Leseempfehlung.

Sonntag, 24. Januar 2021

One Life von Megan Rapinoe und Emma Brockes

Erscheinungsdatum: 16.11.2020    
Verlag: Goldmann
ISBN: 9783442316212
Fester Einband
Seiten:
256
  
Leseprobe








 
Meine Bewertung: 4,5 von 5 Punkten 


Inhalt: Megan Rapinoe ist eine außergewöhnliche Profisportlerin, die den Frauenfußballsport wie keine andere in den Focus der Medien gerückt hat. Sie auf diese Rolle zu minimieren, wäre aber kleingeistig. Sie ist inspirierend, präsent, unbequem und polarisierend. Sie hat es verstanden, ihre Popularität zu nutzen, um auf unbequeme Gesellschaftsthemen aufmerksam zu machen.

Megan Rapinoes Biografie ist chronologisch aufgebaut und beginnt mit dem Start ihrer Fußballkarriere. Bewundernswert ist hier der Anteil ihrer Familie daran. Sowohl ihre Zwillingsschwester wie auch Megan wurden stark von der Familie unterstützt. Unzählige Fahrten mit dem Auto, Freizeitaufgabe und Engagement waren nötig, um den Mädchen ihren Traum zu ermöglichen. 

Jeder Satz sprüht nur so vor Energie, auch wenn ich kein Fußballfan bin, kann ich ihre Leidenschaft für diesen Sport verstehen und nachvollziehen. Bewundernswert ist, dass sie trotz ihrer sportlichen Erfolge alles gefährdet, als sie 2011 ihr öffentliches Coming-out hat. Obwohl einige ihrer Spieler-Kolleginnen auch lesbisch sind, bleiben sie lieber im Schatten, was ihr gutes Recht ist. Manchmal ist Megan Rapinoe sicherlich auch über das Ziel hinaus geschossen. Ihre leidenschaftliche Art und ihre spontane Reaktionen kommen nicht immer gut an. Es hindert sie aber nicht daran, sich stetig für die Rechte der LGBTQ-Community (Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und queere Personen) einzusetzen. Sie versteht es, ihre Berühmtheit für Ansprüche von Minderheiten einzusetzen. 

Ihr Engagement für Black Lives Matter 2016 hat ihr dann doch viele Schwierigkeiten im Sport bereitet. Sie durfte nicht mehr am Training der Nationalmannschaft teilnehmen, wurde von Trainern und Sponsoren gemieden. Dennoch ging sie bei der Nationalhymne auf die Knie, um Verbundenheit mit dem NFL-Spieler Colin Kaepernick zu teilen. Anders als er konnte Megan Rapinoe weiter als Spielerin aktiv bleiben und sich selbstverständlich unablässig für Ungerechtigkeiten einsetzen. Die Gleichbezahlung von Fußballnationalspielern ist ein weiteres Thema. Ungeheuerlich mit was für einem vergleichsweise niedrigen Taschengeld sich die weitaus erfolgreicheren Frauen gegenüber den Männern abfinden sollten.
Legendär ist ihre Weigerung, nach einem Sieg der WM 2019 einer Einladung ins Weiße Haus zu folgen: 


Ihre Einblicke in ihr Privatleben sind sehr persönlich und offen. Ob es die Beziehung zu ihrer Schwester ist oder die Darstellung ihrer Beziehungen. Ihre Gefühle wirken authentisch und ungeschminkt und genau das macht die Attraktivität von Megan Rapinoe aus. 

Aktuell endet die Biografie im Frühjahr 2020 mit dem Beginn des Corona-Lockdowns. Ich bin sicher, wir werden noch viel von dieser starken Frau hören und es ist wünschenswert, wenn man sich ein Beispiel nimmt und offener für Themen außerhalb der persönlichen Komfortzone wird.

Dienstag, 12. Januar 2021

Den Sommer kannst du auch nicht aufhalten von Dimitri Verhulst

Erscheinungsdatum: 20.03.2019    
Verlag: Oktaven in Freies Geistesleben Verlag
ISBN: 9783772530104
Fester Einband
Seiten:
138
  
Leseprobe



 
Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 


Inhalt: Zu seinem 16. Geburtstag wird Sonny, ein Junge mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen aus dem Pflegeheim von Pierre abgeholt. Diesmal wird es kein kurzer Spaziergang, sondern ein ganz besonderer Ausflug. Pierre "entführt" Sonny an einen seiner Lieblingsorte in die Provence, um dem Jungen und dem Leser eine bewegende Geschichte zu erzählen.

Dimitri Verhulst macht es dem Leser im Einstieg nicht leicht. Seine Erzählung startet mit Beleidigungen gegenüber einem körperlich stark beeinträchtigten Jungen, der vom Hauptprotagonisten Pierre mehr als verletzend behandelt wird.

 " 'Vegetativer Idiot?' Nun ja, das Etikett, das er diesem Produkt eines reichlich schieläugigen Schöpfers damit verpasste, war vielleicht nicht das wissenschaftlich korrekteste.'"

Hier hätte ich tatsächlich fast abgebrochen, weil mich die Worte sehr abgestoßen haben. Dann beginnt aber erst die eigentliche Reise und mit ihr die Geschichte.  

Pierre holt Sonny regelmäßig im Pflegeheim ab, um ihn im Rollstuhl durch den Park zu schieben. Der Junge kann nicht sprechen, sich nicht durch Mimik verständlich machen. Zum 16. Geburtstag, den Sonny laut Diagnose gar nicht erreichen sollte, fährt Pierre mit ihm nach Avignon. Die Fahrt wirkt ungeplant, spontan. Weder ist das Heim informiert, noch gibt es Medikamente oder notwendige Hygieneartikel. Nichtsdestotrotz sucht Pierre eine Unterkunft für die Nacht und kümmert sich recht unprofessionell um die Bedürfnisse des Jungen.

Ausgerechnet auf einen Berg zieht es Pierre. Da es mit dem Rollstuhl undenkbar ist, trägt er Sonny hinauf, um anschließend noch einmal zurückzugehen, um den Rollstuhl zu holen. Hier auf dem Berg beginnt Pierre von Sonnys Mutter zu erzählen. Plötzlich wird dieser grobe Zyniker weich und zeigt Emotionen. Der ewige Schwerenöter, dem die Liebe bis dahin fremd war, verliebte sich in eine deutlich jüngere Frau. Dieses Kennenlernen, Abtasten und Aufsicheinlassen ist sehr klar und spürbar beschrieben. Sie waren glücklich, hatten Zukunftspläne, liebten die Provence und das Leben. Und doch spürt man diesen Schatten, der sich in den Sätzen verbirgt. Obwohl er sie so liebt, erwähnt er niemals ihren Namen. 

Je länger er erzählt, desto vertrauter ist der Umgang mit Sonny, er nimmt den Jungen klarer wahr, achtet auf dessen wenige Bewegungen und nimmt ihn als Person wahr. 

Die Handlung schlägt eine unerwartete Richtung ein, weckt beim Leser Gefühle und macht nachdenklich. Dieses "Was wäre wenn", was jeder im Leben schon erlebt hat, ist plötzlich sehr präsent.

Mich hat diese kurze Erzählung unerwartet bewegt.


Montag, 11. Januar 2021

Der letzte Satz von Robert Seethaler

Erscheinungsdatum: 03.08.2020    
Verlag: 
Hanser Berlin Verlag
ISBN: 9783446267886
Fester Einband
Seiten:
128
  
Leseprobe








 
                     Meine Bewertung: 3,5 von 5 Punkten  


Inhalt: Ein sterbenskranker Mann allein auf dem Sonnendeck eines Ozeanriesens erinnert sich an seine Lebensstationen. Gustav Mahler, gefeierter Dirigent und Komponist auf einer Reise ins Ungewisse.

Robert Seethaler hat in seinem Roman Gustav Mahler eine Stimme gegeben. Leise und unaufdringlich in einem einfachen Schreibstil erinnert sich der Künstler an einzelne Momente seines Lebens. Die Leidenschaft für die Musik beim Komponieren wird kurz entfacht, als ein Vogel ihn auf eine Melodienfolge bringt und er stundenlang vergessen komponiert.

 "Es waren die Töne, die er so lange vermisst hatte, ohne sie eigentlich je zu suchen. Jetzt waren sie da. Er musste sie bloß festhalten." 

Er erzählt von seiner tiefen Liebe zu seiner jungen hübschen Frau, die er doch nie wirklich verstanden hat. Erst als sie ihm die Liebe zu einem anderen Mann gesteht, kämpft er verzweifelt, sucht sogar Sigmund Freuds Hilfe. Zeit hilft ihm hier nicht mehr, denn nur, weil der Tod schon anklopft, bleibt sie bei ihm. 

Der tragische Tod seiner ältesten kleinen Tochter geht ihm immer noch sehr nah, schmerzt und die wenigen gemeinsamen Momente geben ihm keinen Halt.

 In der Einsamkeit des Meeres drängen sich Gedanken über den Tod auf. Ein weißer großer Vogel scheint ihm sein Ableben anzukündigen. 

Einziger Gesprächspartner ist ein Schiffsjunge, der ihm Tee serviert, ihn betreut und über das Meer philosophiert. 

Erwartet habe ich lebendige, sprühende Details aus dem Leben Gustav Mahlers. Vielmehr waren es nur schmerzliche Gedanken eines schwerkranken Mannes, der mit sich selbst hadert. Keine Erwähnung seines revolutionären und beeindruckenden Handelns an der Wiener Oper, sondern nur eine Ahnung von Umgestaltung. Wie jung er zu der damaligen Zeit war, wie außergewöhnlich. 

Seine Frau nur als wunderschön und resolut zu zeichnen ist eine Untertreibung. Ihr Geliebter, hier nur "Baumeister" genannt, ist kein anderer als Gropius.

Lediglich die Szenen mit dem Schiffsjungen sind emotional gezeichnete Momente, die den Künstler menschlich und verletzlich wirken lassen. Daher ist wohl auch das Ende der besondere Satz, der noch ein wenig nach klingt. 

Gustav Mahler hätte es als Figur für diesen Roman nicht gebraucht. Vielleicht wäre ein unbekannter Protagonist sogar besser gewesen, weil keine Erwartungshaltung an die Person geknüpft wird. 

Donnerstag, 7. Januar 2021

Der 85-Jährige, der morgens aufstand und immer noch jung war von Horst Janson

Erscheinungsdatum: 28.09.2020    
Verlag: List Verlag
ISBN: 9783471360323
Fester Einband
Seiten
224
  
Leseprobe








Meine Bewertung: 3 von 5 Punkten 


Inhalt: In seiner Autobiografie schildert der Schauspieler Horst Janson was er in 85 Jahren an Höhen und Tiefen erlebt und bewältigt hat. Seine Paraderolle - der ewige Student Bastian - mit der er in Deutschland berühmt wurde, darf natürlich nicht fehlen.

Horst Janson erzählt in einem lockeren Ton von seinem Werdegang als Schauspieler, Ehemann und Vater und natürlich von seiner Segelleidenschaft. Der Aufbau ist dann auch eher thematisch zu sehen. Bemerkenswert ist seine Offenheit, mit denen er auch Schicksalsschläge und negative Momente im Leben offenlegt. Sympathisch und frei von jedweden Starallüren schildert er z. B. wie er an der Seite von Franco Nero oder Roger Moore Filme gedreht hat. 

Die Ausführungen, wann und wo er welche Rollen gespielt hat und wie es dazu kam, war mir teilweise zu langatmig. Ich bin aber auch kein Fan und habe nicht alle Rollen verfolgt. Andere Leser mögen diese Passagen interessanter finden. Die Besetzung der Rolle des Bastians ist dagegen sehr unterhaltsam. Jansons Aussehen und Charakter war hier ausschlaggebend und hat das "hohe" Alter von über 30 mehr als wettgemacht. Sein Beharren auf seinem für damalige Verhältnisse ungepflegten Aussehen (längere Haare) hatte einen hohen Erkennungswert. Für viele Menschen ist und bleibt er bis heute der "Bastian

Besonders bewegend sind die Schilderungen über seinen finanziellen Ruin und die Angst, vor dem Nichts zu stehen. Er macht anderen Menschen Mut, wenn er über die Essstörung seiner Tochter Laura spricht. Verheimlicht nicht, dass er nicht immer gesetzeskonform gelebt hat und ist auch sonst kein Mensch, der Fehler nicht zugeben würde. 

Ob er jetzt tatsächlich mit seinen 85 Jahren noch jung ist, darüber mag man streiten. Aber optimistisch und lebensbejahend wirkt er auf jeden Fall. 




Eine Frau, ein Plan von Maye Musk

Erscheinungsdatum: 10.12.2020    
Verlag:
Benevento Verlag
ISBN: 9783710901140
Fester Einband
Seiten
240
  








 
Meine Bewertung: 3 von 5 Punkten 


Inhalt: Rückblick auf ein bewegtes Leben. Maye Musk, geboren im Jahr 1948, alleinerziehende Mutter von drei sehr erfolgreichen Kindern, lässt ihr nicht immer leichtes Leben Revue passieren.

Maye Musk wächst in einer abenteuerlustigen, quirligen Familie auf. Ihr Vater sucht in der Wüste nach einem verschollenen Ort und alle Familienmitglieder begleiten ihn. Sehr jung - wie es damals üblich war - schlittert sie in eine unheilvolle Ehe, die sie erst nach neun Jahren beendet. Sie ist zwar eine erfolgreiche Ernährungsberaterin, aber sich selbst hat sie nicht im Griff. Übergewicht und fehlendes Selbstbewusstsein machen ihr zu schaffen. Durch Selbstdisziplin und Zielsetzung gelingt es ihr jedoch, sich ein neues Leben aufzubauen. Dabei scheut sie auch nicht davor zurück, zusammen mit ihren drei Kindern in andere Länder zu ziehen und immer wieder von vorn anzufangen. 

Soweit ein interessantes und sehr spannendes Leben. Leider wiederholt sie ihr Musk-Mantra "Ich bin Model und Ernährungsberaterin" in jedem Kapitel auf ein Neues. Irgendwann nervt es immer wieder darauf gestoßen zu werden. Die Biografie ist nicht chronologisch, sondern thematisch aufgebaut, deshalb kommt es wohl auch zu einigen Wiederholungen. Sie kann sicher auf ihre Erfolge stolz sein. Unbestritten sieht sie trotz ihrer 71 Jahre sehr attraktiv aus und wird sicherlich auch auf anderen Gebieten erfolgreich sein, aber bitte nicht auf jeder Buchseite. Ihre Gedanken fasst sie häufig in Tipps zusammen:

 "Neue Orte und Menschen kennenzulernen, kann Ihren Horizont ungemein erweitern und Sie glücklich machen." 
"Was Sie brauchen ist kein Wundermittel, sondern ein Plan."

Nicht wirklich neu und auch nicht inspirierend. Auch wenn sie immer wieder davon spricht, wie wichtig es ist, einen Plan zu machen, so ist ihr persönlicher Plan in dieser Biografie nicht zu finden. Sie transportiert wenig Emotionen und schildert sehr sachlich, wie ihr bisheriges Leben ausgesehen hat. Lediglich im Kapitel, in dem es um Ernährungsberatung geht, merkt man ihr an, dass dies ihre Leidenschaft ist. Mich hätte eher interessiert, wie sie sich gefühlt hat, als sie einem brutalen Ehemann ausgesetzt war und sich dann befreien konnte. Wie ihre Kinder mit der Situation umgegangen sind. Lediglich der Satz "Heute gibt es nichts, was eine oder ein Musk nicht tun kann." gibt wieder, wie stolz sie auf ihre Kinder sein muss. 

Ich habe mehr Hintergrundinformationen erhofft und weniger Lebensweisheiten. Eine interessante Frau, die sicher mehr zu erzählen hätte, als sie hier preisgibt.

Mittwoch, 6. Januar 2021

Niemand ist bei den Kälbern von Alina Herbing

Erscheinungsdatum: 10.02.2017    
Verlag: Arche Verlag
ISBN: 9783716027622  Fester Einband
Seiten
256 Seiten    












    
Meine Bewertung: 3 von 5 Punkten 


Inhalt: Mitten im Nichts liegt das nordwestmecklenburgische Dorf Schattin in der Nähe von Lübeck. Die Trostlosigkeit der Landschaft wird nur durch einige Windräder unterbrochen. Wer hier lebt, gibt sich mit wenig zufrieden oder hat seine Wünsche resigniert verworfen. Die 20-jährige Christin lebt hier auf dem Bauernhof zusammen mit ihrem Freund Jan und dessen Familie. Ohne Ausbildung und Beruf bleibt ihr nur als Aushilfe auf dem Hof zu arbeiten. Abwechselung findet sie nur auf dem Dorffest oder in einer Affäre.

Alina Herbing hat mit ihrem Debütroman einen Angriff auf die viel gerühmte Dorfidylle gestartet. Selbst der größte Idealist wird in Schattin wenig vom glücklichen Landleben finden. In einer depressiven Novemberstimmung sollte man dieses Buch auf keinen Fall lesen. Tatsächlich habe ich einen zweiten Anlauf benötigt, um das Buch zu lesen. Der Einstieg beginnt gleich grob und herzlos. Während des Getreidedreschens stirbt ein Rehkitz. Das kommt leider vor, aber die Schilderung ist doch heftig und emotionslos. 

Mir hat es die Protagonistin nicht leicht gemacht, mich überhaupt für sie einzunehmen. Sie ist gelangweilt und genervt von der Arbeit, der Hitze, dem Freund und dem Dorfleben sowieso. Als ungelernte Friseuse stehen ihr nicht gerade die Tore der Welt offen und auch die Außenwelt bietet wenig Möglichkeiten. Einziger Lichtblick ist ihre beste Freundin, doch die hat gerade andere Sorgen, träumt diese doch auch von einem besseren Leben mit einem neuen Mann. 

Die Charaktere scheinen alle mit dem Leben an diesem Ort zu hadern. Dorffeste, die in Schlägereien enden oder kriminelle Energien freisetzen. Rechtsgesonnene "Glatzen" gehören genauso zum täglichen Bild wie die Traktoren auf dem Feld. Christins Verhalten ist nur schwer nachzuvollziehen. Aus Trotz, dass sie auf dem heißen Feld arbeiten muss, schneidet sie einfach eine Traktorleitung durch. Nicht weil sie bewusst die Maschine beschädigen will, sondern aus purer Langeweile.

 "Ich gucke diese beiden Enden an, die da vor mir in die Luft ragen, und kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich das war."

 Ihr Frust geht so weit, dass sie mit einem Mechaniker der Windräder eine Affäre beginnt, die nur auf Schmerz aufgebaut zu sein scheint. Sie lässt sich demütigen und scheint sich selbst bestrafen zu wollen. Das Ganze eskaliert zunehmend, bis es zu einem Vorfall kommt, der keinen Rückweg mehr zulässt. 

Besonders das Ende hat mich schockiert zurückgelassen. Dies ist kein Wohlfühlroman, sondern bittere Kost. Ich hoffe sehr, dass es nicht viele Menschen gibt, die so ihr Leben fristen. Gleichzeitig bin ich froh, dass es auch diese Art von Roman gibt, die nicht nur heile Welt und Sonnenschein vermitteln, man muss nur den richtigen Zeitpunkt finden, um sich drauf einlassen zu können.

Dienstag, 5. Januar 2021

Bonnie Propeller von Monika Maron



     Erscheinungsdatum: 02.12.2020    
     Verlag:
Hoffmann und Campe   ISBN: 9783455011616   
     Fester Einband:
 64 Seiten    
     Meine Bewertung: 3 von 5 Punkten 


In einer Kurzerzählung schildert die 1941 geborene namenlose Icherzählerin, wie sie nach dem Tod ihres Hundes einen Nachfolger sucht, heftig enttäuscht wird und sich nur schwer mit dem zu kurz geratenen "hässlichen Entlein" arrangiert.


Auf nur 64 Seiten wird das Zueinanderfinden von Mensch und Hund von der Autorin  Monika Maron erzählt. Der Schreibstil ist einfach und gut lesbar. Die ersten Sätze hätten aber fast schon dazu geführt, das Buch aus der Hand zu legen.

"Es ist das Bündnis von zwei Kreaturen mit dem einzigen Zweck, einander Freude und Beistand zu sein. "

Für mich ist ein Hund ein Familienmitglied, kein Dienstleister. Auch wenn ich verstehen kann, dass die alte Dame nicht lange allein sein möchte, ist die Suche im Internet per Bild und Video m. E. nicht der richtige Weg. Der persönliche Kontakt zum Tier ist sehr wichtig, man kauft doch keinen Gegenstand. Die Vermittlung erfolgt dann über eine Fundhund-Organisation, die sogar eine Möglichkeit zum Umtausch einräumt, weil der Hund unerwartet hässlich ist. 

Was macht das mit dem Tier, wenn es wie ein Wanderpokal herumgereicht wird? Warum werden die Hunde mitten in der Nacht auf einem Parkplatz abgegeben? Ich empfinde das als falsch verstandene Tierliebe. Der Protagonistin kann ich keine Sympathie abgewinnen. Der Hund muss perfekt sein. Darf nicht bellen, muss ruhig, aber nicht langweilig sein. Das Aussehen stört sie enorm.

Dieses kleine, unschöne Tier sollte nun mein letzter Hund sein ...." "
Da hilft auch nicht, das Tier mit teuren Accessoires auszustatten. Erst als der Hund durch Kunststückchen und Freundlichkeit die Aufmerksamkeit anderer Menschen gewinnt, ist die Besitzerin auch mit dem Tier zufrieden. Hält die Autorin uns den Spiegel hin. Seht her, selbst die Tiere müssen perfekt sein. Gebt den Außenseitern eine Chance. Oder schildert sie nur ihre eigene Geschichte? Das wäre sehr schade, denn Bonnie Propeller hat einen liebevollen Besitzer verdient.