Mittwoch, 6. Januar 2021

Niemand ist bei den Kälbern von Alina Herbing

Erscheinungsdatum: 10.02.2017    
Verlag: Arche Verlag
ISBN: 9783716027622  Fester Einband
Seiten
256 Seiten    












    
Meine Bewertung: 3 von 5 Punkten 


Inhalt: Mitten im Nichts liegt das nordwestmecklenburgische Dorf Schattin in der Nähe von Lübeck. Die Trostlosigkeit der Landschaft wird nur durch einige Windräder unterbrochen. Wer hier lebt, gibt sich mit wenig zufrieden oder hat seine Wünsche resigniert verworfen. Die 20-jährige Christin lebt hier auf dem Bauernhof zusammen mit ihrem Freund Jan und dessen Familie. Ohne Ausbildung und Beruf bleibt ihr nur als Aushilfe auf dem Hof zu arbeiten. Abwechselung findet sie nur auf dem Dorffest oder in einer Affäre.

Alina Herbing hat mit ihrem Debütroman einen Angriff auf die viel gerühmte Dorfidylle gestartet. Selbst der größte Idealist wird in Schattin wenig vom glücklichen Landleben finden. In einer depressiven Novemberstimmung sollte man dieses Buch auf keinen Fall lesen. Tatsächlich habe ich einen zweiten Anlauf benötigt, um das Buch zu lesen. Der Einstieg beginnt gleich grob und herzlos. Während des Getreidedreschens stirbt ein Rehkitz. Das kommt leider vor, aber die Schilderung ist doch heftig und emotionslos. 

Mir hat es die Protagonistin nicht leicht gemacht, mich überhaupt für sie einzunehmen. Sie ist gelangweilt und genervt von der Arbeit, der Hitze, dem Freund und dem Dorfleben sowieso. Als ungelernte Friseuse stehen ihr nicht gerade die Tore der Welt offen und auch die Außenwelt bietet wenig Möglichkeiten. Einziger Lichtblick ist ihre beste Freundin, doch die hat gerade andere Sorgen, träumt diese doch auch von einem besseren Leben mit einem neuen Mann. 

Die Charaktere scheinen alle mit dem Leben an diesem Ort zu hadern. Dorffeste, die in Schlägereien enden oder kriminelle Energien freisetzen. Rechtsgesonnene "Glatzen" gehören genauso zum täglichen Bild wie die Traktoren auf dem Feld. Christins Verhalten ist nur schwer nachzuvollziehen. Aus Trotz, dass sie auf dem heißen Feld arbeiten muss, schneidet sie einfach eine Traktorleitung durch. Nicht weil sie bewusst die Maschine beschädigen will, sondern aus purer Langeweile.

 "Ich gucke diese beiden Enden an, die da vor mir in die Luft ragen, und kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich das war."

 Ihr Frust geht so weit, dass sie mit einem Mechaniker der Windräder eine Affäre beginnt, die nur auf Schmerz aufgebaut zu sein scheint. Sie lässt sich demütigen und scheint sich selbst bestrafen zu wollen. Das Ganze eskaliert zunehmend, bis es zu einem Vorfall kommt, der keinen Rückweg mehr zulässt. 

Besonders das Ende hat mich schockiert zurückgelassen. Dies ist kein Wohlfühlroman, sondern bittere Kost. Ich hoffe sehr, dass es nicht viele Menschen gibt, die so ihr Leben fristen. Gleichzeitig bin ich froh, dass es auch diese Art von Roman gibt, die nicht nur heile Welt und Sonnenschein vermitteln, man muss nur den richtigen Zeitpunkt finden, um sich drauf einlassen zu können.

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