Donnerstag, 10. August 2023

Refugium von John Ajvide Lindqvist (Band 1 der ›Stormland‹-Trilogie)


Die Krimiautorin Julia Malmros hat sich auf Ihr Ferienhaus in den schwedischen Schären zurückgezogen, doch Ruhe wird sie hier nicht finden. Auf der Nachbarinsel werden die Gäste des Industriellen Olof Helander während des Midsommerfestes grausam getötet. Zusammen mit dem Computerexperten Kim Ribbing ermittelt Julia auf eigene Faust. Die Spuren führen rund um den Erdball und lassen nichts Gutes erahnen.     


John Ajvide Lindqvist hat sich für den Auftakt in ein neues Genre, einen interessanten Plot ausgedacht. Ein Thriller, der die Entstehung eines Thrillers begleitet, der ursprünglich die Fortsetzung einer erfolgreichen Thriller-Serie bilden sollte. Zu unübersichtlich, nein, eher ein geschickter Schachzug, um vielleicht ein wenig mehr Aufmerksamkeit für seine Thriller-Trilogie Stormland zu erhalten. Denn eigentlich sollte der Autor tatsächlich die Fortsetzung der weltbekannten Millennium-Serie schreiben, wozu es dann aber nicht gekommen ist. Ein flüssiger und unterhaltsamer Schreibstil, der keine zu hohen Ansprüche an die Leserschaft stellt, erleichtert den Einstieg in die Handlung. 

Die zentralen Figuren des Romans erinnern stark an die Millennium Figuren Michael Blomkvist (Enthüllungsjournalist) und Lisbeth Salander (Hackerin), was anhand der Buch-Vorgeschichte nicht überraschend ist. Nur sind hier die Rollen vertauscht. Die 51-jährige Julia Malmros ist eine erfolgreiche Krimiautorin und Ex-Polizistin, die gerade als Fortsetzungs-Autorin der Millennium-Reihe abgelehnt wurde. Für ihren Krimi hat sie den 28-jährigen Computerspezialisten Kim Ribbing als Fachmann für Computerfragen hinzugezogen. 

Nach einem dramatisch schnellen Prolog wechselt der Autor in eine etwas lang gezogene Einleitung, um die beiden Hauptakteure Malmros und Ribbing zu porträtieren. In manchen Szenen mag der Autor auch seine persönlichen Erlebnisse als Autor verarbeitet haben, zur Handlung tragen diese Einblicke aber nicht bei. Interessanter sind die Rückblicke auf die Kindheit von Kim Ribbing. In seinem jungen Leben gibt es manche dunkle Stelle, die einem eine Gänsehaut verursachen. Eine Familie sollte einem Kind Sicherheit und Vertrauen schenken, doch Kim lernt schon früh, dass Sadismus und Missbrauch sein Leben bestimmen. Von Anfang an spürt man, dass hier eine besonders empfindliche Seele agiert. Die Charakterbeschreibungen sind gelungen und glaubwürdig.

Der Zufall will es, dass Julia Malmros und Kim Ribbing sich in einem Ferienhaus auf einer Schäreninsel befinden, als auf der Nachbarinsel die dortige Feier in einem blutigen Massaker endet. Das Ehepaar Helander, ein chinesisches Ehepaar und ein Europaparlamentarier mit Ehefrau müssen mit dem Leben bezahlen. Julia ist besonders betroffen, da Olof Helander nicht nur ihr Nachbar, sondern auch ein alter Schulfreund von ihr gewesen ist. Zusammen mit Kim führt sie erste Recherchen durch, um herauszufinden, was an diesem Mittsommer Abend geschehen ist. Ausgerechnet Julias Ex-Mann ist der zuständige Ermittler in diesem Fall, dem ihre Nachforschungen gar nicht gefallen. 

Die bis hierhin gestreuten Informationen über den Handel mit Emissionsrechten, Ölhandel in China und Norwegen, großen Geldmengen und beauftragten Killern hätten ausgereicht, um einen gleichbleibenden Spannungsbogen aufzubauen. Doch die vielen Nebenhandlungen bremsen jedwede Spannung immer wieder aus. 

Viel zu häufig scheint Kim Ribbing der Einzige zu sein, der tatsächlich Ermittlungserfolge erzielen kann. Ihm reicht schon ein Stichwort, um in Shanghai oder auf Kuba problemlos Spuren zu verfolgen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Über Julia Malmros werden seine Informationen an die Polizei weitergegeben, die sich mehr mit dienstlichen und außenpolitischen Problemen beschäftigt. Besonders die auffällig untätige Polizei und deren merkwürdig ins Leere gehenden Wortwechsel wirken sehr unglaubwürdig.

"William King formte seinen Zeigefinger zu einer Pistole und sagte: 'Wenn das herauskommt, kann sich der Halunke auf einen Genickschuss freuen. Und Pu der Bär würde dabei gern den Abzug ziehen'."

Es dauert recht lange, bis tatsächlich Spannung eintritt. Die letzten Kapitel steigern sich zu einer James Bond würdigen adrenalingeladenen Szenerie, die gelungen beschrieben wird.  Hier hätte es für mich enden können. Doch für eine Serie gehört ein Cliffhanger dazu und dieser kehrt zurück zur Millennium-Reihe, denn ähnlich wie Lisbeth Salander hat auch Kim Ribbing ein Geheimnis, das wohl erst in den weiteren Bänden gelöst wird.

Mich konnte dieser "Thriller" nur in Teilen überzeugen. Kim Ribbing ist ein interessanter Protagonist, der sicherlich auch in den weiteren Bänden verborgene Seiten zeigen kann. Ob Julia Malmros als Partnerin an seiner Seite noch überraschen kann, glaube ich eher nicht. 

Von mir gibt es 3,4 von 5 Punkten

Buchinformationen
Erschienen:  04.07.2023
Verlag:  dtv
ISBN: 978-3-423-28364-9
Fester Umschlag
Seiten: 528





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