Freitag, 24. Februar 2017

Die Stierin von Andrea Stift-Laube


http://www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/die-stierin-882
    Erscheinungsdatum: 08.02.2017
    Verlag: Kremayr & Scheriau
    ISBN: 9783218010689
    Fester Einband: 176 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 
Ihr Käseladen und der Umgang mit Kunden und Käse gibt Maeve Halt, bildet den Rahmen, um die Demütigungen und Misshandlungen von Männern vergessen zu können. Von Maeve geschnitzte Käsefiguren nehmen die Form einer alten keltischen Sage an. Immer tiefer taucht sie in die grüne Welt von Königin Maeve ein, die ihr Kraft spendet und einen Rückzugsort bietet. Gegenwart und Mythos verschwimmen.

Andrea Stift-Laube
verknüpft die mir bisher unbekannte keltische Sage "Der Rinderraub von Cooley" mit gegenwärtiger psychischer und körperlicher Gewalt gegen Frauen. Starke literarische Wucht und beklemmende Poesie, die mit Symbolik spielt, zeichnen diesen außergewöhnlichen Roman aus. Schon im Titel "Stierin" findet sich der erste Hinweis, dass es um Veränderung geht, denn es braucht innere Stärke, um sich verändern zu können. Aufmerksamkeit ist gefordert, wenn Sage und Gegenwart eine Symbiose eingehen. Wie weit man sich während des Lesens vom Roman entfernt, um mehr über die irische Mythologie zu erfahren, bleibt jedem selbst überlassen. Mir hat es gefallen, parallel Recherchen anzustellen und Hintergrundinformationen zu finden.
http://www.irischemythologie.de/rinderraub.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Morr%C3%ADgan


Selten habe ich mir so viele Notizen gemacht, innegehalten und über das Gelesene nachgedacht. Zarte Betrachtungen wechseln sich mit gewalttätigen Szenen ab und doch harmoniert es, wie ein Rhythmus, dem man sich nicht entziehen kann. Wie die Autorin selbst schreibt, hat sie die Gewalt "lesbar", erträglich, gemacht.

"Feines Glas zersprang in mir, es würgte sich meinen Schlund hinauf, meiner Mundöffnung entgegen, doch ich biss, ich schluckte, ich stemmte es wieder hinunter. Die Scherben drückten sich in meinen Magen und durch dünne Wände in meine Blutbahn hinein. Dort zirkulieren sie seitdem. An manchen Tagen spüre ich sie weniger, aber spüren werde ich sie für alle Zeit."
Warum erstarren Frauen in Beziehungen, lassen Misshandlung und Demütigung über sich ergehen. Wie reagiert die Umwelt und wie findet sich ein Ausweg. Ein wichtiges allgegenwärtiges Thema, das in diesem Roman gelungen umgesetzt wurde.

Eine Leseempfehlung für Leser, die bereit sind, ausgetretene Romanwege zu verlassen.
 



Radiobeitrag mit der Autorin  

Donnerstag, 23. Februar 2017

Dinge, die vom Himmel fallen von Selja Ahava


http://www.mare.de/index.php?article_id=4535&setCookie=1
    Erscheinungsdatum: 04.02.2017
    Verlag: mare Verlag
    ISBN: 9783866482425
    Fester Einband: 208 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 3,4 von 5 Punkten 
  Mitten im finnischen Sommer fällt ein Eisbrocken aus den
  Wolken und stürzt todbringend auf Saaras Mutter. Vom
  verzweifelten Vater emotional alleingelassen, versucht die
  achtjährige ihren eigenen Weg zu finden. Aufnahme finden
  Vater und Tochter im Gutshaus der Tante Annu, bis diese
  durch einen Schock über einen erneuten Lotteriegewinn in
  einen wochenlangen Tiefschlaf fällt. Erst der Kontakt zu
  einem schottischen Fischer, der unglückliches Opfer
  mehrerer Blitzschläge wurde, hilft Annu aus ihrer
  Schockstarre. Zurück im eigenen Haus scheint der Weg für
  die Zukunft von Vater und Tochter gelegt zu sein.

Die in vier Teile gegliederte Geschichte wendet verschiedene Stilformen, wie Märchen oder Briefe an, um die Sinnhaftigkeit des Lebens zu reflektieren. Selja Ahava spielt mit den Formen, gibt ihnen ein neues Gewand. Einfluss findet ein unaufgeregter, nordischer Charme, der Land und Leuten eigen ist. Es gibt keine durchgehende Handlung, der man folgen kann. Sprunghafte Schilderungen geben erst nach und nach ihre Zusammenhänge preis oder bleiben schlicht unerklärlich. Häuser, wie das Sägemehlhaus, wirken lebendiger als die eigentlichen Figuren.
"Wenn ein Haus alt genug ist, hört es auf, so auszusehen, als wäre es von Menschen erbaut worden. Es wird auf die gleiche Art lebendig wie ein bemooster Stein oder ein alter, dicker Baum."
Man meint, der Leser wird bewusst auf Distanz gehalten, ihm wird nur die Rolle des Betrachters zugewiesen. Die anfängliche Kindersicht der achtjährigen Saara vermittelt eine traurige doch leicht verständliche Abfolge von Geschehnissen. In der Romanfigur Hercules Poirot findet sie Halt und sucht nach Antworten für den Tod ihrer Mutter. Sie flüchtet sich in Fantasien und Erinnerungen und kehrt doch immer wieder zum Thema Tod zurück.

Jeder Abschnitt steht für sich, stellt eine Person besonders heraus, nennt sie beim Namen. Die im ersten Abschnitt noch starke Annu verliert durch ein eigentlich schönes Erlebnis, einen Millionen-Lottogewinn, völlig die Fassung. Wie im Märchen verfällt sie in einen komatösen wochenlangen Schlaf. Erst die Gewissheit, dass auch andere Menschen durch plötzliche Ereignisse, wie einen Blitzschlag, mit dem Leben hadern, lässt sie ihr Leben neu ausrichten. Der klare ungeschönte Briefwechsel zweier völlig unbekannter Personen, die sich langsam annähern, regt zum Nachdenken an.

Der Abschnitt "Die Meerjungfrau schlägt mit der Flosse" ist für mich der am schwersten zu erklärende Teil. Aus der Sicht von Kristina, der neuen Lebensgefährtin des Witwers, wird ihre Schwangerschaft, die geprägt ist von ihren Gedanken an das zu erwartende behinderte Kind, intensiv, aber befremdlich künstlich geschildert.

Sehr symbolträchtig werden viele bereits erwähnte Elemente in der Schlussszene verwendet, die viel Raum für eigene Interpretationen lassen.

Obwohl mir die ruhige Art der Schilderung, der besondere nordische Einfluss und das Wecken von ganz eigenen Schlussfolgerungen gefallen hat, habe ich keine Nähe zum Thema gespürt.
  

Emma, der Faun und das vergessene Buch von Mechthild Gläser


http://www.loewe-verlag.de/titel-1-1/emma_der_faun_und_das_vergessene_buch-8070/
    Erscheinungsdatum: 13.02.2017
    Verlag: Loewe    
    ISBN:
9783785585122
    Fester Einband: 416 Seiten

    Leseprobe
    Meine Bewertung: 3,6 von 5 Punkten 
  Für den frisch gegründeten Literaturclub soll die alte
  Internatsbibliothek genutzt werden. Beim Aufräumen findet
  die 16-jährige Emma eine Chronik, deren Einträge bis weit
  ins 18. Jahrhundert hineinreichen. Immer tiefer taucht sie in
  die Aufzeichnungen der bisherigen Chronisten ein und findet
  ein Märchen über einen Faun und eine unerfüllte Liebe.
  Voller Tatendrang trägt auch Emma ausgeschmückte
  Internatserlebnisse auf Schloss Stolzenburg ein. Überrascht
  stellt sie fest, dass diese ausgedachten Dinge plötzlich wahr
  werden. Hat das Verschwinden der Internatsschülerin Gina
  auch etwas mit der Chronik zu tun? Als Ginas Bruder Darcy
  auftaucht, um seine Schwester zu finden, bringt er Emmas
  Gefühlsleben gehörig durcheinander.

In Anlehnung an bekannte Jane Austen Romane, wie "Stolz und Vorurteil", werden bekannte Figuren in eine neue Form gegossen. Ob aber die angesprochene Zielgruppe der 12- bis 15-Jährigen Jane Austen kennt, mag dahingestellt bleiben. Mechthild Gläser hat mit leichtem Stil eine jugendlich-märchenhafte Geschichte erdacht. Zwar sind Internatsgeschichten nicht gerade neu, hier steht aber nicht das Schulleben mit all seinen Intrigen im Vordergrund, sondern ein geheimnisvolles altes Buch, das Geschriebenes in wahre Erlebnisse umsetzt. Von verschiedenen Chronisten gestaltete Seiten werden passend zu den Kapiteln dargestellt, so kann man sich die Chronik sehr gut vorstellen. Hauptprotagonistin Emma entdeckt, welche Möglichkeiten ihr das alte Buch bietet. Was als märchenhaftes Spiel beginnt, wird unerwartet zu einem spannenden Abenteuer.

Besonders der geheimnisvolle Faun, um den sich viele Geheimnisse ranken, macht den Reiz der Geschichte aus. Man rätselt die ganze Zeit, ob er in eine menschliche Gestalt geschlüpft ist und wer der Faun sein könnte. Die Mischung aus Vergangenem und aktueller Lebensart harmoniert sehr gut. Das etwas zu abrupt und zusammenhanglos gewählte Ende konnte mich trotz überraschendem Szenario und spannenden Elementen nicht ganz überzeugen. Hier fehlten mir einige Erklärungen, die einfach offengelassen wurden.

Für mich wurde die Zielgruppe der Leser nicht klar genug herausgearbeitet. Der leichte Schreibstil und die große Schrift sind besonders für jüngere Leser geeignet. Die Jane Austen Elemente und die 16-jährige Protagonistin mit ihrer ersten Verliebtheit gehören dann zur Sparte Jugendbuch.

Fazit: 

Ein märchenhaft leichtes Lesevergnügen für Jugendliche, die noch gern zu Kinderbüchern greifen.

Dienstag, 14. Februar 2017

Gefährliche Empfehlungen von Tom Hillenbrand


http://www.kiwi-verlag.de/buch/gefaehrliche-empfehlungen/978-3-462-04922-0/
    Erscheinungsdatum: 12.01.17
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch
    ISBN: 9783462315981
    ebook: 320 Seiten

     Leseprobe     

    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 
  Bei der Einweihung des Firmenmuseums des Guide
  Gabin in Paris wird die Leihgabe des seltenen Guide Bleu
  von 1939 gestohlen. Gastrokritikerin Valerie bittet ihren
  Freund, den luxemburgischen Koch Xavier Kieffer, um
  Hilfe. Brisant wird es, als auch der Französische Präsident
  Kieffer um ein geheimes Gespräch bittet. Auf der Suche
  nach dem Buch begibt sich Kieffer in große Gefahr, denn
  noch ahnt er nicht, dass es um mehr als nur einen
  Restaurantführer geht.

Dies ist bereits der fünfte Band des eigenwilligen Kochs Xavier Kieffer. Obwohl ich die vorherigen Bände nicht kenne, konnte ich sofort ins Lesevergnügen einsteigen.
Tom Hillenbrand
hat einen flüssigen Schreibstil, der sehr detailliert, fast schon detailverliebt, Szenen herausarbeitet. Die Mischung aus Reiseguide, Krimi und Geschichtsbuch mit kulinarischen Einschüben ist ungewöhnlich, aber gelungen. Vor allem Luxemburg und Frankreich Fans werden hier auf ihre Kosten kommen. Der Autor arbeitet mit viel Lokalkolorit, typischen Landesgerichten, Dialekt und Ortsbeschreibungen. Am Ende des Buches findet man dankenswerterweise ein Glossar über Küchenlatein, das besonders bei den ungewöhnlichen Gerichten hilfreich ist.

Zwei parallele Erzählstränge geben Einblick in das Geschehen. Die Kriegsjahre, in denen der Guide Gabin aus dem Jahr 1939 seine Schlüsselrolle erhält, werden durch die Erlebnisse eines geheim agierenden Amerikaners geschildert. Besonders die Franzosen und deren ungewohnte Mittel, dem Feind ein Schnäppchen zu schlagen, haben mir gefallen.

In der Gegenwart bereist Xavier Kieffer verschiedene Regionen, um das geheimnisvolle blaue Bauch wiederzubeschaffen. Statt einer Gourmetreise entwickelt sich seine Suche schnell zur Verfolgungsjagd, denn immer mehr dunkle Gestalten scheinen an dem Buch interessiert zu sein. Dabei gehen sie nicht gerade zimperlich vor und scheuen auch nicht vor Mord zurück. Obwohl Kieffer als Koch nun ganz und gar nicht in das Agentenmilieu passt, schlägt er sich tapfer und mit Raffinesse. Unterstützung erhält er von Pekka Vattanen, einem Freund und Stammkunden seines Restaurants in Luxemburg. Der trinkfeste finnische EU-Beamte trägt mit seinem lockeren Wortwitz sehr zum humorvollen Teil der Handlung bei.

Spannend steigert sich die Handlung zu einem lebensgefährlichen Plot mit überraschenden Elementen.

Obwohl nicht alle Szenen für mich schlüssig erklärbar sind, hat mich dieser Gourmetkrimi ungewöhnlich gut unterhalten und Lust auf einen Besuch in einem luxemburgischen Restaurant gemacht.

Freitag, 10. Februar 2017

Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod von Gerhard Jäger


https://www.randomhouse.de/Buch/Der-Schnee,-das-Feuer,-die-Schuld-und-der-Tod/Gerhard-Jaeger/Blessing/e502067.rhd#info
    Erscheinungsdatum: 26.09.2016    
    Verlag:
Karl Blessing Verlag
    ISBN: 9783896675712
    Flexibler Einband: 400 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung:
5 von 5 Punkten 
  Zum Schreiben hat sich der junge Historiker Max
  Schreiber 1950 in ein Tiroler Bergdorf zurückgezogen.
  Einsam ist es hier und die Dorfbewohner voller Misstrauen
  dem Fremden gegenüber, denn er rüttelt an alten
  Geheimnissen. Er fühlt sich hingezogen zu einer jungen
  Frau, doch da ist noch der Kühbauer, der schon lange um
  Maria wirbt. Jemand stirbt und ein Stall brennt, aber zur
  Klärung bleibt keine Zeit, denn die Lawinen bedrohen das
  Dorf und alle bangen um ihr Leben. Fast 60 Jahre später
  fliegt der achtzigjährige John Miller von Amerika nach
  Innsbruck, um Recherchen über einen Mörder, seinen
  Cousin, durchzuführen.


"Es gibt Momente, Orte, die dir Angst machen. Du weißt, dass da etwas ist, das auf dich wartet, gesichtslos, namenlos, jenseits aller Begriffe, jenseits aller Konturen, und doch, es ist da, du spürst es, und du weißt nur eines: Es ist nichts Gutes."
Der Schreibstil erinnert an ein Gemälde. Jeder Satz ein Pinselstrich, der emotionsgeladene Bilder entstehen lässt. Gerhard Jäger hat einen besonderen Sprachrhythmus, der fesselt und besondere Gefühle heraufbeschwört. Verschiedene Zeit- und Erzählebenen, lange verschachtelte Sätze, die sich erstaunlich gut lesen lassen und akzentuierte Wiederholungen einzelner Sequenzen, zeichnen den Stil aus.  
"...aus seinem Mund kommen Berge und Hügel, Gipfel und Grate, Wälder und Schluchten, Wege und Pfade, ein paar rot glühende Sonnenstrahlen wie Farbtupfer auf die Bergspitzen gesetzt, zimmern weitere Buchstaben die kleine Alm, die in einer Senke an einer steilen Bergflanke vor den wütenden Winden des Hochgebirges Schutz sucht und Schutz bietet, seit vielen, vielen Jahren, all den Hirten, die die Sommer hier verbringen, hier, bei den Kühen, die die Hänge und die wenigen Ebenen abweiden, ruhig und bedächtig, denn es ist ein friedliches Leben."
Es liegt von Anfang an eine spürbare Spannung in der Luft. Ein Fremder, der in die abgeschnittene harte Welt des kleinen Bergdorfes eindringt. Man sieht förmlich, wie Max Schreiber argwöhnisch beobachtet, jeder Schritt und jedes Wort kritisch bewertet wird. Sagen, Mythen und Aberglaube spielen hier eine große Rolle. Unbewusst schürt Max den Unwillen der Dörfler, als er sich für die stumme Marie interessiert. Sein anfänglich als Roman geplantes Buch wird immer mehr zu einem Tagebuch, dessen Form sich von der Ich-Erzählung zur Betrachtung wandelt und seine Unruhe, Verlorenheit und Ängste widerspiegelt.

Dann kommt der Winter, so kalt, brutal und unberechenbar, dass man beim Lesen eine Gänsehaut bekommt. Vom geschichtlichen Lawinenwinter 1951  hatte ich vorher noch nichts gelesen und wurde von der unfassbaren Wucht der Lawinen sprichwörtlich mitgerissen. Man kämpft gegen die Schneemassen, die die Häuser einstürzen lassen und am Ende nur noch ums nackte Überleben. Zusammengedrängt in der Kirche hört man das Donnern der ins Tal krachenden alles zermalmenden weißen Flut. Viele kommen darin um, werden vermisst, so auch Max Schreiber. Nur sein Manuskript taucht später wieder auf.

Hier setzt die Rahmenhandlung ein. Im Jahr 2006 fliegt der achtzigjährige Amerikaner John Miller nach Österreich, um am spürbaren Ende seines Lebens der Spur eines Mörders zu folgen. Im Innsbrucker Landesarchiv liest er das Manuskript von Max Schreiber, taucht in dessen Geschichte ein und lässt den Leser am Geschehen teilhaben. Eigene Erinnerungen führen ihn immer wieder fort in die Vergangenheit, wecken Gefühle und Sehnsüchte nach seiner verstorbenen Frau Rosalind:


"...Rosalind über eine Kiste mit Büchern gebeugt, Rosalind mit einem alten Schmöker am Fenster sitzend, Rosalind in einer angeregten Diskussion mit einem Kunden, Rosalind die mir mit einem triumphierenden Blick ein seltenes Exemplar reicht, Rosalind, Rosalind."
Das Lesen wühlt den alten Herren sichtlich auf und man bangt um dessen Gesundheit. Nach und nach wird ersichtlich, dass auch seine Lebensgeschichte ein Geheimnis birgt, welches bis zum Schluss verborgen bleibt.

Mich hat dieser Roman mit seiner poetisch eindringlichen Art schlicht und einfach begeistert. Ein absolut empfehlenswertes Lesehighlight.





 

Montag, 6. Februar 2017

Die Mississippi-Bande von Davide Morosinotto

http://www.thienemann-esslinger.de/thienemann/buecher/buchdetailseite/die-mississippi-bande-isbn-978-3-522-18455-7/
    Erscheinungsdatum: 17.01.2017    
    Verlag:
Thienemann Verlag    
    ISBN:
9783522184557    
    Fester Einband:
368 Seiten    

    Leseprobe


    Meine Bewertung:
4 von 5 Punkten 
  Mitten in den Südstaaten-Sümpfen zwischen Schlangen
  und Treibsand finden Kinder beim Angeln eine Blechdose
  gefüllt mit drei Dollar. 1904 fast schon ein kleiner Schatz,
  den die Kinder für eine Bestellung im Versandhaus
  nutzen. Lange müssen sie auf ihr Paket warten und die
  Überraschung ist groß, denn etwas ganz anderes wurde
  geliefert. Gemeinsam unternehmen sie eine lange und
  gefährliche Reise auf dem Mississippi und der Eisenbahn
  bis nach Chicago, um das Geheimnis der Falschlieferung
  zu lüften.

Davide Morosinotto hat eine gelungene Abenteuergeschichte mit viel Südstaaten-Flair geschrieben. Das empfohlene Lesealter ab 10 Jahren empfinde ich aber zu niedrig gegriffen, denn einige Passagen sind durchaus klärungsbedürftig. Die Mississippi-Bande ist bunt zusammengewürfelt und besteht aus Arztsohn Eddie, Farmer Tre Trois, Julie und ihrem farbigen Halbbruder Tit. Schon die ungewöhnlichen Namen zeigen, dass in dieser Region französisch oder Cajun gesprochen wird.

Unterteilt in vier Abschnitte berichtet jeweils ein Kind aus der Ich-Perspektive über die Erlebnisse und wechselt damit auch die Sichtweise. Für Tre Trois ist alles ein großes Abenteuer und es kann ihm nicht aufregend genug sein. Eddie ist dagegen eher vorsichtig und behutsam, kennt sich aber hervorragend in den Sümpfen und mit Geografie aus. Julie hat ein Gespür für Menschen, weil sie durch ihre Armut schon viel Leid erfahren hat. Tit schweigt und lässt niemanden an sich heran, nur Zahlen können ihn begeistern. Ihre besonderen Stärken und die Verbundenheit der Freunde sind ein wichtiger Bestandteil der Handlung. Es gibt bedrückende und gefährliche Momente, die sich mit humorvollen Szenen abwechseln. Die lustige Erfindung des Hotdogs hat meinen Kindern gut gefallen.

Besonders gelungen ist die Einleitung jedes Kapitels durch wunderschöne schwarz-weiß Illustrationen und Fotos, die die Handlung unterstreichen und ein Gefühl für die vergangene Zeit vermitteln. Dazu tragen auch die Reise mit dem Raddampfer auf dem Mississippi und eine abenteuerliche Zugfahrt bei. Es macht Spaß in die Vergangenheit einzutauchen und eine völlig andere Welt zu erleben.

Für ein Kinderbuch eher ungewöhnlich ist dann im letzten Kapitel ein großer Zeitsprung, der Tit als alten Mann und Erzähler zeigt. Für meine Kinder war dieser plötzliche Schnitt in der Handlung eher uninteressant. Sie hätten gern mehr über das weitere Leben der Kinder erfahren.

Eine historische Abenteuergeschichte, die Spaß macht, die Südstaaten kennenzulernen und auf Ermittlungssuche zu gehen.

Donnerstag, 2. Februar 2017

Silber - Das erste Buch der Träume von Kerstin Gier


http://www.argon-verlag.de/2013/06/gier-silber-das-erste-buch-der-traeume/
    Erscheinungsdatum: 20.06.2013
    Verlag: argon Hörbuch
    ISBN: 978-3839840504
    Hörbuch: 8 CDs im Digifile

    Hörprobe
    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 
  Nach vielen Umzügen scheint Liv Silbers in London endlich
  ein dauerhaftes Zuhause gefunden zu haben, denn ihre
  Mutter hat einen neuen Lebenspartner gefunden. Ruhiger
  geht es in Livs Leben dennoch nicht zu, denn eine
  Patchworkfamilie bringt auch so ihre Probleme mit sich. Ihre
  Träume wirken immer lebendiger und bedrohlicher.
  Ausgerechnet ein düsterer Friedhof, auf dem ein
  geheimnisvolles Ritual stattgefunden hat, gibt ihr Rätsel auf.
  Vier Schüler ihrer neuen Schule haben darin eine Rolle
  gespielt und auf gruselige Weise scheinen die Jungs auch 

  im wahren Leben etwas über Livs Traum zu wissen.

Kerstin Gier ist ein unterhaltsamer, schwungvoller und humorvoller Auftakt zu einer neuen Romanserie für die Altersgruppe ab 14 Jahren gelungen. Durch die frische Hörbuchstimme von Simona Pahl wird die Figur der Liv Silber, die ihre Erlebnisse in der Ich-Form schildert, sehr glaubwürdig transportiert. 


Der Einstieg vermittelt einen Eindruck in das teilweise chaotische Leben der 16-jährigen Liv. Ihre Mutter scheint ständig abwesend und nur mit ihrer Arbeit beschäftigt zu sein. Gut, dass Liv und ihrer kleinen Schwester ein resolutes bayerisches Au-pair-Mädchen mit Rat und Tat zur Seite steht. Lotti muss man einfach sofort ins Herz schließen. Es macht Spaß die quirlige Liv zu begleiten, die sich ständig Gedanken über alles und jeden zu machen scheint. So lernt man schnell die nervigsten Schüler, die begehrtesten Jungen und den daraus resultierenden Schullalltag kennen. Eine Person an der Schule scheint aber immer einen Schritt voraus zu sein: die Herausgeberin des Schulblogs. Niemand kennt ihre Identität und sie schreibt über Dinge, die eigentlich niemand wissen kann.

Geheimnisvoll wird es, wenn Liv anfängt zu träumen. Denn sie kann ihre Träume steuern, sich in ihnen bewegen, wie in einer Parallelwelt. Türen, die die Träume anderer bewachen, machen Liv neugierig und ziehen sie magisch an. Die beliebtesten Jungs der Schule werden plötzlich auf sie aufmerksam und scheinen auch etwas mit den Träumen zu tun zu haben. Und auch wenn Liv sich eigentlich nichts aus Jungs macht, beginnen doch Schmetterlinge in ihrem Bauch zu tanzen.

Trotz einiger Längen und wiederholender Traumpassagen kann dieses Hörbuch durch die sympathische Sprecherstimme überzeugen. Das
spannungsgeladene Ende macht gekonnt neugierig auf die Fortsetzung, die auf mehr Magie und Mystik hoffen lässt.