Freitag, 31. März 2023

Leonard und Paul von Rónán Hession


Wer diesen Roman zur Hand nimmt, wird vergessen, dass es eine Handlung gibt. Man fühlt diesen Roman auf eine sehr intensive und ruhige Weise. Leonard und Paul zeigen die warmherzigen menschlichen Seiten auf, ohne sich dessen bewusst zu sein. 


Rónán Hession hat einen unvergleichlich feinfühligen, umarmenden Schreibstil.  Schon nach den ersten Seiten fühlt man sich wohl und merkt nicht, wie die Zeit beim Lesen vergeht. Es ist wie das Eintauchen in ein warmes Badewannenbad. 

Paul wirkt anfangs unselbstständig, phlegmatisch und abhängig von seinen Eltern und seiner Schwester, denn mehr als dreimal im Monat arbeitet er nicht. Seine Tätigkeit als Aushilfspostbote reicht ihm völlig aus. Seine Schwester Grace, die fürchtet, ihr Leben lang für Paul da sein zu müssen, möchte ihn wachrütteln und ins Leben stupsen. "Er gondelt munter in seinem kleinen Lebenskarussell herum." 

Erst auf den zweiten Blick merkt man, dass dieser Mann unerschütterlich in sich selbst ruht und mit den kleinen Dingen des Lebens zufrieden ist. Sein Schweigen wirkt nicht provozierend, sondern angenehm. Er strahlt etwas aus, was seine Mitmenschen entspannt.  

"Sein Motto lautet: Das Malheur ist bereits passiert, jetzt geht's ums Aufräumen. Das Hier und Jetzt, das ist ihm wichtig."

Leonard  hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der schüchterne Mann schreibt als Ghostwriter Kinderenzyklopädien und hat so wunderschöne Dinge im Kopf, die unbedingt in ein Kinderlexikon der besonderen Art fließen müssen. Als er Shelly kennenlernt, kann er endlich seinen Fantasien freien Lauf lassen. Sie tut ihm gut und er bemerkt erst ab diesem Moment, wie wundervoll das Leben sein kann. 

"Jetzt schloss er die Augen und schwamm dieser Erinnerung innerlich entgegen, nicht an die Bücher selbst, sondern an das Gefühl, das er beim Lesen gespürt hatte. Dort in seiner Melancholie vergraben, brannte das ursprüngliche Feuer, an dem sich seine Fantasie vor all diesen Jahren entzündet hatte."

Die zarte Verbindung zwischen Leonard und Shelly wird so warmherzig und glaubwürdig beschrieben. Hier spürt man, dass einem meistens die eigenen Ängste im Weg stehen, um sich mutig seinen Gefühlen zu stellen. 

Die Protagonisten strahlen so viel unaufdringliche Liebenswürdigkeit aus und zeigen, worauf es im Leben wirklich ankommt: Die Freundschaft zwischen Leonard und Paul, die ohne große Worte auskommt und eine verlässliche Konstante in ihrem Leben bildet. Der herzliche Umgang in Pauls Familie, in der jeder so sein darf, wie er nun einmal ist.

Dieser Roman tut einfach gut. Ein Seelenwärmer, den man gar nicht mehr aus der Hand legen mag.


Von mir gibt es 5* von 5 Punkten

Buchinformationen
Erschienen: 20.03.2023
Verlag:  Woywod & Meurer
ISBN: 9783000737565
Fester Umschlag
Seiten: 320




Drei fast geniale Freunde auf dem Weg zum Ende der Welt von Jonas Jonasson



Von seinem Bruder mit einem Wohnmobil ausgestattet, weiß der 30-jährige Johan Löwenhult erst einmal nicht wohin. Zum Glück trifft er auf einem Campingplatz in Stockholm Petra Rocklung, die sich sicher ist, dass am 7. September 2011 die Welt untergehen wird. Den beiden bleiben 12 Tage, um die Welt ein wenig zurecht zu rücken und einigen Mitmenschen ihre Meinung zu geigen. Bevor das Duo schnellstmöglich das Land in Richtung Rom verlassen will, gesellt sich noch die toughe 75-jährige Agnes dazu. Ein ungemein schräges und unvorhersehbares Abenteuer nimmt seinen Lauf.  


Jonas Jonasson ist ein begnadeter Geschichten-Erzähler, der seine Leserschaft in seinen Bann zieht und zu unterhalten versteht. Der Einstieg in das Jahr 2011 mit Rückblick auf viele politische und geschichtliche Ereignisse weckt Erinnerungen und bildet gleichzeitig den Rahmen für die folgenden Kapitel. Vorgelesen wird der Roman von Shenja Lacher, der gekonnt die schrägen Situationen sprachlich umsetzt und das Kopfkino anregt. Er trägt dazu bei, dass die Protagonisten so lebendig wirken.

Der Einstieg ist wundervoll skurril und temporeich. Sofort schließt man den liebenswerten und etwas langsam denkenden Johan, der von seinem älteren Bruder "Idiot" genannt wird, ins Herz. Es schmerzt, wenn Johan stolz von seinem Bruder Frederik berichtet und gar nicht merkt, was für ein eigennütziger Widerling dieser die ganzen Jahre über hinweg war.

Als Frederik an die Botschaft von Rom wechselt, löst er die millionenschwere Stockholmer Wohnung auf und überlasst Johan sich selbst und dazu großzügigerweise ein Wohnmobil. Auf einem Campingplatz trifft Johan im wahrsten Sinne des Wortes Agnes, die als Verschwörungstheoretikerin gerade ihrem Leben ein Ende setzen will, da der Weltuntergang bevorsteht. Ihre Begegnung ist trotz der eigentlich düsteren Stimmung sehr unterhaltsam und ein Dauerschmunzeln stellt sich ein.

Agnes gibt Johan Selbstbewusstsein und zeigt ihm, welche Talente in ihm schlummern. Johans wunderbares Kochtalent begeistert alle, die er an seinen Tisch bittet und desto öfter er von anderen hört, wie grandios seine Kochkünste sind, desto mehr glaubt auch er an sich. Als Agnes und Johan Pläne für die letzten 12 Tage, die die Welt noch existieren wird, schmieden, beginnt ein aberwitziges Roadmovie der besonderen Art. 

Die Charaktere werden so bildhaft und lebendig beschrieben, dass man Spaß daran hat, ihnen über die Schulter zu blicken. Ob es Johans Fahrkünste mit dem Wohnmobil sind - er hat keinen Führerschein - oder Agnes Besuch bei ihrer heimlichen Jugendliebe und der daraus resultierenden Eigendynamik der Situation, es ist unterhaltsam und kurzweilig. Als weiteres Teammitglied gesellt sich dann noch die 75-jährige Agnes dazu, die trotz ihres betagten Alters die modernsten Ansichten und Ideen einbringt. Man lernt so einiges über Instagram oder schweizerische Bankaktivitäten. 

Als zweiter Handlungsstrang wird die politische Entwicklung der Sowjetunion und Russlands beschrieben. Wahre und fiktive Ereignisse werden vermischt und es stellt sich häufiger die Frage, was davon wohl alles wahr sein mag. Mich haben diese Abschnitte nicht so sehr gefesselt. Die Rückblicke in längst vergangene Zeiten mit all ihren Verknüpfungen und dunklen Machenschaften wollten nicht so Recht zur launigen Fahrt mit dem Wohnmobil passen. Erst spät nähern sich die Handlungsstränge einander an und werden zusammengeführt. 

Leider wurde es dann für mich zu klamaukig und zwanghaft lustig. Die Wärme der Handlung ging verloren. Johan trifft auf Obama und Ban Ki-moon und plant danach einem afrikanischen Präsidenten mal gründlich die Meinung zu sagen. Die daraus resultierenden abstrusen Situationen und das unglaubwürdige Ende führen zu den Abstrichen in meiner Bewertung. Weniger ist manchmal mehr. 


Von mir gibt es 3,5 von 5 Punkten

Buchinformationen
Erschienen: 02.11.2022
Verlag:  Der Hörverlag
ISBN: 9783844547016
MP3 CD
Laufzeit: 642 Minuten




Dienstag, 28. März 2023

Die Toten von Friesland von Fynn Jacob


Liewer düd aß Slaawe prangt eingeritzt auf der Brust eines Toten. Doch bei einer Botschaft bleibt es nicht. An verschiedenen Küstenorten der Nordsee werden ähnlich zugerichtete Opfer gefunden. Erst als deutsche und niederländische Ermittlungen zusammenlaufen, wird ein Muster erkennbar. Ein altes Gedicht wird auf makabre Weise zum Leben erweckt. 


Fynn Jacob Krimi bildet den Auftakt zu einer grenzüberschreitenden Ermittlungsserie zwischen Deutschland und den Niederlanden. Der lockere, eingängige Schreibstil und die detailreichen Schilderungen von Orten und regionalen Besonderheiten vermitteln sofort ein Bild der Region und des Geschehens. Der persönliche Bezug und die Begeisterung des Autors für diese Landschaft ist deutlich spürbar. Dabei hält er sich nicht lange mit ausschweifenden Beschreibungen auf, es geht direkt zur Sache. 

In Schiermonnikoog, dem Urlaubsort  der niederländischen Ermittlerin Iske van Loon, wird ein Toter gefunden. Die Art, wie das Opfer aufgefunden wurde, überzeugt Iske, den Fall zu übernehmen. In Deutschland bekommt Marten Jaspari seinen ersten Mordfall als leitender Ermittler zugewiesen. Auch hier finden sich ungewöhnliche Schriftzüge auf der Brust eines Opfers. 

Obwohl der Spannungsbogen gleich sehr hoch angesetzt wurde, bleibt er konstant erhalten. Es ist fesselnd zu verfolgen, wie das Ermittlungsteam anhand eines alten friesischen Freiheitskämpfer-Gedichts aus dem 8. Jahrhundert versuchen, Schlüsse zu den aktuellen Fällen herzuleiten und weiteres Morden zu verhindern. Die Kombination aus Krimi und Geschichtsinformationen wird toll umgesetzt. Viele Informationen über Helgoland als sagenumwobener Ort waren mir bisher nicht bekannt. Interessant waren auch die Details über König Radbod und die damit verbundene Geschichte Frieslands.  

Die Charaktere sind durchweg glaubhaft und überzeugen durch ihre natürliche Art. Es gibt kleine persönliche Andeutungen zu den Ermittlern, die auf Schwächen und Stärken und deren Eigenarten hinweisen, an die in einer Fortsetzung angeknüpft werden kann. Kriminalhauptkommissar Marten Jaspari scheint intuitiv richtige Schlüsse zu ziehen, traut aber seinen eigenen Impulsen nicht und handelt vorsichtig. Seine niederländische Kollegin Iske van Loon dagegen geht die Dinge eher pragmatisch und zielgerichtet an. Auch wenn sich ihre Zusammenarbeit anfänglich schwierig gestaltet, könnten sie sich zu einem tollen Ermittlungsteam entwickeln.  Anders als bei manch anderem Krimi bleibt der Schwerpunkt aber bei den Mordfällen, was mir sehr gefallen hat.  

Obwohl viele Puzzleteile offengelegt werden und nach und nach ein Motiv zu erkennen ist, bleibt die Lösung des Falls bis zum Ende hin spannend. Eine dramatische Wendung steigert den Nervenkitzel sogar noch etwas mehr. Der kleine Schlenker auf den letzten Seiten mit Blick auf das Privatleben der Ermittelnden war genau richtig dosiert, um zu ahnen, wie es eventuell weitergehen könnte. 

Dieser Krimi ist genau richtig für alle Spannungsfans, die gerne mit rätseln und fiebern und auch etwas mehr über Frieslands Land und Leute erfahren möchten.

Von mir gibt es 4,5 von 5 Punkten

Buchinformationen
Erschienen: 15.03.2023
Verlag:  Heyne Verlag
ISBN: 978-3-453-42612-2
Flexibler Umschlag
Seiten: 368




Montag, 20. März 2023

Läuft schon!: How to run von Nicole Staudinger


Wer sucht nicht nach einer Anleitung endlich begeistert das Joggen anzufangen? Ohne Druck, Zeit- oder Laufplan. Nicole Staudinger erzählt humor- und schwungvoll von ihren ersten Schritten, dem Scheitern, sich wieder Aufrichten und dem Erfolg am Ende einen Halbmarathon gelaufen zu sein.


Nicole Staudinger ist bekannt für ihre unkonventionellen Motivationsbücher in allen Lebenslagen. In diesem Hörbuch widmet sie sich dem Thema "How to run" und bezeichnet sich selbst als unsportlichste Joggerin. Der Klappentext verspricht auch Sportmuffel in Bewegung zu bringen. Das springt natürlich ins Auge und hat mich neugierig gemacht. Ich bin nach meinen ersten fünf Laufversuchen gescheitert und habe das Laufen sein gelassen. Meine Erwartungen waren dementsprechend hoch. Die ersten Kapitel wurden sehr ansprechend, humorvoll und nachvollziehbar von der Autorin gesprochen. Man soll sich keinen Druck machen, darf auch gehen und sein eigenes Tempo finden. Die Strecke muss nicht lang sein und selbst wenn es nur einige wenige Schritte sind, man hat sich bewegt. Dranbleiben ist wichtig und kleine Erfolge dürfen auch gefeiert werden.

Das hört sich gut an und macht tatsächlich Lust, vielleicht doch wieder einen Versuch zu starten. Aber viel mehr als leichte Sportkleidung und Schuhe an kommt dann nicht mehr. Dafür berichtet die Autorin aus ihrem achterbahnartigen, schicksalsbelasteten Leben. Zu Recht kann sie Stolz auf ihre Kraft und den Lebensmut sein, den sie trotz schwieriger Krebserkrankungen nicht verloren hat.

Am Ende war es für mich eher ein Buch über das Leben von Nicole Staudinger. Sie hat einen tollen Ehemann, der sie in allen Lebens- und Laufsituationen unterstützt und begleitet. Ihre Familie und Freunde stehen hinter ihr und verstehen es zu feiern und die Autorin anzuspornen. Ihre Laufstrecken und Ziele sucht sie nach der aktuellen Lebenssituation aus und tatsächlich scheint sie das Laufen als Lebensbestandteil anzusehen. Ein Ausgleich, um den Kopf freizubekommen und neue Kraft zu tanken. Ihre Begeisterung für das Laufen ist in jedem Kapitel zu spüren. Sie selbst hat sich das Ziel gesetzt, einen Halbmarathon zu laufen. Kein öffentlicher organisierter Lauf, sondern ein Duell mit sich selbst, nur in Begleitung ihres Mannes und sie hat gewonnen. Dies motiviert es vielleicht doch mit dem Laufen zu probieren.

Was mich allerdings zum Ende hin immer mehr gestört hat ist, dass die Autorin häufig auf andere Bücher hinweist, die sie geschrieben hat. Dies darf sie auch ein oder zweimal erwähnen, aber bitte nicht so, dass man meint, eine Werbesendung zu hören. Die lockere Ansprache "meine Ladies" hat mir auch weniger gefallen, aber das ist Geschmackssache.


Wer eine ausgefeilte Anleitung vom Sportmuffel zum Läufer erwartet, wird hier nicht fündig. Vielmehr wird hier ein Lebensgefühl vermittelt, das entweder ansteckt oder eben nicht.

Von mir gibt es 3 von 5 Punkten

Buchinformationen
Erschienen: 01.02.2023
Verlag:  argon Verlag
ISBN: 978-3-7324-0657-9
Laufzeit: 4 Stunden 55 Minuten







Sonntag, 12. März 2023

In blaukalter Tiefe von Kristina Hauff


Andreas überrascht seine Frau Caroline mit einem Segeltörn nach Schweden. Die Überraschung wird dadurch gedämpft, dass sie nicht als Paar verreisen, sondern Andreas auch seinen Anwaltskollegen und dessen Freundin eingeladen hat. Dank des erfahrenen Skippers Eric, dem wunderschönem Boot "Querelle" und der Vorfreude auf 10 Tage Urlaub gelingt der Start der Segelneulinge. Doch ein Segelboot bietet nicht nur Abenteuer und Naturerlebnis, sondern fordert auch den Preis durch Enge und fehlende Rückzugsorte. Unausgesprochenes tritt nach wenigen Tagen an die Oberfläche und Konflikte werden offen ausgetragen. Als zusätzlich zur aufgeladenen Stimmung an Bord ein Unwetter aufzieht, ist jedem klar, dass diese Reise nicht ohne Folgen bleiben wird. 


Dass Autorin Kristina Hauff eine leidenschaftliche Seglerin ist, merkt man von der ersten Seite an. Ihre Begeisterung ist ansteckend und auch als Nicht-Segelnde spürt man diese Nähe zum Wasser und zur Natur. Detailreich und interessant werden die einzelnen Handgriffe beschrieben, die notwendig sind, um mit dem Wind über das Wasser zu gleiten. 

Von Anfang an ist eine Spannung zwischen den einzelnen Personen zu spüren, die durch den Wechsel der Erzählperspektive noch verstärkt wird. Die Autorin legt den Fokus kapitelweise immer auf einen anderen Protagonisten und der Charakter gewinnt an Lebendigkeit.

Reich, unsympathisch und arrogant tritt der Wirtschaftsstrafverteidiger Andreas auf. Er ist es gewohnt, Menschen zu dominieren und seinen Standpunkt durchzusetzen. Chefredakteurin Caroline steht ihrem Ehemann in nichts nach. Nur im Privatleben haben sich die zwei nichts mehr zu sagen.

 "Sie hätte mit ihm darüber sprechen können. Aber stattdessen hatte sie ihn ausgeschlossen. Sich immer weiter von ihm entfernt, und nun gab es kein Zurück mehr."

Bis über die Mitte hinaus hat die Handlung eine Sogwirkung. Gespannt verfolgt man dieses auf hoher See stattfindende Kammerspiel. Jeder der Charaktere trägt eine spürbare Last und gleichzeitige Hoffnung mit sich, die unter einer gekonnt inszenierten Fassade versteckt wird. 

Nach und nach fängt diese an zu bröckeln und die entstandenen Risse treten an die Oberfläche. Lediglich der Skipper Eric Fauré bleibt verschlossen und geheimnisvoll.

Im letzten Teil wurde für meinen Geschmack dann zu sehr in die Dramaschublade gegriffen. Eifersüchteleien, Geltungsbewusstsein und Verzweiflung führen zu Überreaktionen und Fehlentscheidungen. Der Spannungsbogen wird unnötig und unglaubwürdig überstrapaziert. Ein wesentlich ruhigerer Verlauf zum Ende hin hätte mir besser gefallen. 

Wer psychologische Ränkespiele mag und nicht zu viel Wert auf Tiefe legt, wird hier auf seine Kosten kommen. 


Von mir gibt es 3,5 von 5 Punkten

Buchinformationen
Erschienen: 20.02.2023
Verlag:  hanserblau
ISBN: 978-3-446-27581-2
Fester Umschlag
Seiten: 288





Montag, 6. März 2023

Alva und das Rätsel der flüsternden Pflanzen von Yarrow Townsend und Torben Kuhlmann


Menschen und Pflanzen sterben an einer geheimnisvollen Krankheit. Die Schuld wird den Pflanzen gegeben und auch Alvas geliebter Garten soll vernichtet werden. Die Hilferufe der Pflanzen versteht nur Alva und im Pflanzenbuch ihrer verstorbenen Mutter findet sie einen Hinweis auf ein Heilmittel. Doch die Reise über den Fluss und durch den Wald ist gefährlich. Zusammen mit Idris und Ariana macht Alva sich auf eine gefährliche Reise auf dem unberechenbaren Fluss und durch den unbekannten Wald. Die Zeit drängt und nicht alle wollen, das Alva ihr Ziel erreicht.  


Yarrow Townsend begeistert mit ihrem einfühlsamen Schreibstil nicht nur Kinder. Die Kombination aus einer magischen Geschichte, Pflanzenkunde und Umweltbewusstsein ist sehr gelungen. Die wunderschönen Zeichnungen von Torben Kuhlmann ergänzen die Geschichte und bilden ein kleines Pflanzenlexikon. Dass man Rohrkolbenwurzeln als Mehl und gleichzeitig zur Wundheilung nutzen kann, war auch mir neu.

Das Waisenkind Alva lebt zurückgezogen an einem Fluss in einer Holzhütte. Außer ihren geliebten Pflanzen hat sie nur ein altes Pferd als Begleiter. Mit den Menschen möchte sie so wenig wie möglich zu tun haben. Mutter und Tochter wurden als Heilerinnen erst willkommen geheißen und dann zu Unrecht gefürchtet. Alva ist kein einfacher Charakter. Ihre Ansichten sind teilweise egoistisch und sprunghaft. Anderen Menschen gegenüber verhält sie sich unfreundlich und abweisend. Ihr größter Schatz ist das liebevoll erstellte Heilpflanzenbuch ihrer Mutter. 

Als die Pflanzen schwarze Flecken aufweisen und deshalb auf Anweisung des reichen Ortsvorstehers vernichtet werden sollen, will Alva ihnen helfen. Durch die Hilfe der Pflanzen kann sie sich immer rechtzeitig verstecken und findet den richtigen Weg. Besonders diese Stellen im Buch sind besonders schön. Jeder Pflanze wird ein Charakterzug zugeschrieben, der sie besonders lebendig erscheinen lässt. 

 "Die Blätter der Hecke hinter ihr begannen zu flüstern. Die Stängel des Roten Fingerhuts schaukelten im Wind. Lieber nicht sehen lassen, sagten sie. Lieber verstecken."

Besonders diese Stellen im Buch sind besonders schön. Jeder Pflanze wird ein Charakterzug zugeschrieben, der sie besonders lebendig erscheinen lässt. Manchmal wünscht man sich, dass der eigene Garten auch so mit einem spricht. 

 "Der Efeu war weise, der Beinwell loyal. Der Beifuß erzählte ihr immer genau das, was sie nicht hören wollte, selbst dann nicht, wenn sie wusste, dass er eigentlich recht hatte."

Als sie sich auf einem Boot der Schiffer versteckt, um ein Heilmittel in den Bergen zu finden, trifft sie auf den Schifferjungen Idris und die Nichte des Ortsvorstehers Ariane. Die drei unterschiedlichen Kinder erkennen erst langsam, dass sie nur zusammen das Geheimnis lüften können. Jeder für sich hat Fähigkeiten, die den anderen nutzen. 

Gefährlich wird es für die Reisenden, als der Ortsvorsteher mit seinen Gehilfen ihnen auf den Fersen ist. Für ein Kinderbuch ab 10 Jahren sind manche Szenen schon etwas heftig. So stirbt ein Mann an der geheimen Krankheit und Menschen werden mit Gewalt zur Arbeit in giftigen Minen gezwungen. Feinfühlige Lesende sollten hier besser begleitet werden. 

Eine dramatische Verfolgungsjagd und ein hoher Spannungsbogen garantieren ein tolles Leseerlebnis, das ganz nebenbei darauf hinweist, dass die Natur nur dann gerettet werden kann, wenn alle sich darum kümmern und niemand aus Profitgier oder Eigennutz über das Wohl anderer entscheidet. 

Von mir gibt es 4 von 5 Punkten

Buchinformationen
Erschienen: 27.08.2022
Verlag:  Thienemann-Esslinger Verlag
ISBN: 9783522186018
Fester Umschlag
Seiten: 320