Montag, 30. Januar 2017

Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen von Emma Braslavsky


http://www.suhrkamp.de/emma_braslavsky_leben_ist_keine_art_mit_einem_tier_umzugehen_1384.html
    Erscheinungsdatum: 12.09.2016
    Verlag: Suhrkamp
    ISBN: 978-3-518-42544-2
    Fester Einband: 462 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 
   Ein Konglomerat unterschiedlichster Gruppierungen ist auf
   dem Weg die Welt zu verbessern. Doch wer an
   Menschlichkeit, Nachhaltigkeit und Wohlergehen denkt,
   liegt hier falsch. Macht, Geld und Prestige geben die
   Spielregeln vor, die den Besiedlungskampf um eine neu
   entdeckte staatenlose Insel einläuten. Es geht um
   Einzelschicksale, inneren und auslebenden Aussteigern.

Verschiedene Handlungsstränge, die willkürlich aufeinander folgen machen den Einstieg nicht leicht. Erst langsam erkennt man Zusammenhänge, taucht dann aber sogartig in das Geschehen ein. Emma Braslavsky setzt unterschiedliche Stilmittel ein, um die Handlungsstränge miteinander zu verbinden. Mal taucht ein Newsblog auf, dann wieder Dialoge eines Aussteigerpärchens im vermeintlichen Paradies. Unterschwellige Spitzen der Autorin greifen Wohlstandprobleme auf, nehmen Politik und Wissenschaft unter die Lupe und halten einem jeden den Spiegel vor. Kuriose und durchdachte Ideen wie ein vom Wind verwehtes Haar oder ein personalisierter Sturm würzen den gelungenen Schreibstil.

Eine Vielzahl von unterschiedlichsten Charakteren, die lebendig, skurril und dennoch glaubwürdig beschrieben werden, zeichnen den Roman aus. Ob Berliner Youngster, argentinisches Familienoberhaupt, Kaballah-Teilnehmerin oder Paradiesbewohner man folgt ihnen gern bei der Suche nach ihrer Lebenserfüllung.

Der argentinische Architekt Jivan und die karriereorientierte Umweltaktivistin Jo scheinen das perfekte Paar zu sein. Hinter ihrer glänzenden Fassade zeigen sich aber erste Risse, die dramatische Folgen nach sich ziehen werden. Durch den Erzähler taucht man immer tiefer in die verworrenen Ziele verschiedener Organisationen ein. Das vermeintliche Wohl der Menschheit gerät mehr und mehr in den Hintergrund. Ein Thema, das gerade wieder an Aktualität gewonnen hat.



"Wie merkwürdig sich der Fahrtwind ihnen in dieser Windstille entgegenstemmt, ihre Haare erfasst, kein Wind eigentlich, sondern die Zeit selbst, die nur als Wind spürbar wird, wenn man durch den Raum jagt und ihren Strom überholen will, wenn man schneller sein will, als sie fließen kann."


Die 19 Jahre alte Roana verbringt einen durch ihren Vater verordneten Zwangsaufenthalt in Argentinien. Der Familientradition folgend soll sie am Fuß eines Vulkans zu sich selbst finden. Am Ende führt ihr Weg nach Buenos Aires, den sie rückblickend aus der Gegenwart heraus erzählt. Jugendlich und unvoreingenommen schildert sie ihre Gedanken und Gefühle. Ihr ist man besonders verbunden, weil Roanas Zerrissenheit spürbar vermittelt wird.

Anfänglich völlig voneinander losgelöste Handlungen führen zu einem fulminanten abstrusen Finale.

Obwohl sich bei mir der Lesegenuss nicht sofort einstellen wollte, hat mir der kreative Stil, die enthaltene Botschaft und deren humorvolle Umsetzung sehr gefallen. 




 



 

Sonntag, 29. Januar 2017

Herr S. bekommt Besuch von Patrick Hinz


http://www.dotbooks.de/e-book/343940/herr-s-bekommt-besuch
    Erscheinungsdatum: Dezember 2016
    Verlag: dotbooks
    ISBN: 9783958247987
    ebook: 225 Seiten

    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 
   Gefühle sind etwas für Anfänger, meint jedenfalls Herr S., der
   das Weite sucht, wenn Menschen ihm zu Nahe kommen.
   Seine Verwandtschaft kennt er nur aus alten Erinnerungen
   und ist völlig überrumpelt, als sein Cousin mit seinem
   Hare-Krishna-Lächeln vor der Haustür steht und eine Bleibe
   sucht. Mit ihm kann er sich noch irgendwie arrangieren, aber
   dann klingelt es wieder und diesmal ist es seine Mutter 

   Marie, die sterbenskrank den Kontakt zu ihrem Sohn sucht.
   Lange unterdrückte Gefühle stürzen über Herrn S. herein
   und sein Schutzpanzer bekommt immer mehr Risse.

Das humorvolle Cover scheint eine leicht lockere Komödie zu versprechen, aber weit gefehlt. Patrick Hinz enthüllt sehr einfühlsam ein Kaleidoskop voller Gefühle. Man ist gefangen von der ungewöhnlichen Mischung aus Komik und Tragik. Hauptprotagonist und Ich-Erzähler Herr S. ist ein Ekel, der sich gleich zu Beginn von seiner liebenswertesten Seite zeigt. Obwohl er seine Freundin schätzt und gern mit ihr zusammen ist, trennt er sich ohne zu zögern, als diese ihm drei Worte zuflüstert. Sich selbst bezeichnet er als "Schubladiseur", der Menschen in Kategorien einteilt. Er beobachtet, zieht Schlüsse und vorverurteilt, wo er geht und steht.

Sein selbst gewählter Name "Herr S." kommt nicht von ungefähr:

"Herr S. gab mir die Distanz, die ich gegenüber anderen brauchte, innerhalb der ich klammheimlich auf Tauchstation gehen konnte, nur um aus einem toten Winkel heraus Menschen zu erforschen. Herr S. gab mir die Freiheit, Dinge zu tun, die mein altes Ich aus purem Anstand heraus nie getan hätte."


Als seine längst vergessene Mutter plötzlich in sein Leben tritt, kann er sich nicht mehr verstellen und muss sich der Vergangenheit stellen. Erinnerungen und Gedanken von Herrn S. helfen die Kluft zwischen Mutter und Sohn zu verstehen. Der als Eso-Fuzzi betitelte Cousin Pascal hilft bei der Betreuung der schwer kranken Marie und ist der ausgleichende Pol in der Handlung. Sein ungewöhnliches Auftreten sorgt für einige Schmunzelmomente.

Mehr und mehr wandelt sich der egoistische Einzelkämpfer Herr S. zum verletzten und einsamen Menschen, der er eigentlich schon immer war. Gebannt verfolgt man die Wandlung und ist bestürzt über das Schicksal, das beide verbindet. Dabei geht es ganz und gar nicht rührselig, sondern eher heftig zu. Schimpftiraden und Beleidigungen austeilend nähern sie sich nur langsam, denn jahrzehntelanges Schweigen lässt sich nicht einfach überwinden.

"Familie sind Menschen, die mich begleiten und die ich begleiten darf. Die mich bereichern und deren Leben zu bereichern ich das Privileg habe."


Die Natürlichkeit und Verletzlichkeit der Protagonisten in dieser Tragikomödie hat mir besonders gefallen. Familie ist alles andere als einfach und jeder trägt seinen Teil am Gelingen bei.

Freitag, 27. Januar 2017

Der Zug der Waisen von Christina Baker Kline


https://www.randomhouse.de/Buch/Der-Zug-der-Waisen/Christina-Baker-Kline/Goldmann/e467453.rhd

    Erscheinungsdatum: 12.12.2016
    Verlag: Goldmann
    ISBN: 9783442481613
    Flexibler Einband: 352 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 
   Ein Zug voller Waisenkinder rollt im Jahr 1929 von New
   York Richtung Mittlerer Westen. Auch die neunjährige
   irische Immigrantin Vivian hofft darauf, ein neues Zuhause
   zu finden. Bis es so weit ist, muss sie einen schweren Weg
   gehen. Erst mit 91 Jahren vertraut sie sich der jungen
   Halbwaisen Molly an, mit der sie sich verbunden fühlt.
Christina Baker Kline hat ein trauriges und vergessenes Kapitel amerikanischer Geschichte zum Leben erweckt. Im Nachwort findet man von der Autorin zusammengestellte geschichtliche Details. Die Orphan Trains fuhren zwischen 1854 und 1929 in den Mittleren Westen, um unglaubliche 200.000 Kinder adoptionswilligen Paaren zuzuführen. Die von der „Children’s Aid Society“ vermittelten Kinder wurden allerdings häufig als billige Arbeitskräfte wie Sklaven gehalten. Hauptprotagonistin Vivian Daly ist eines dieser Kinder und steht für eine Generation ohne Liebe und Geborgenheit. Der zweite Handlungsstrang führt in die Gegenwart zu Molly, einer aufmüpfigen 17-jährigen Halbwaisen, die von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht wird. Sie steht kurz davor, wieder aus einer Familie zu fliegen. Ihre letzte Chance sind Sozialstunden, die sie bei Vivian auf dem Dachboden mit Entrümpelungsarbeiten ableisten soll.

Das Schicksal einer alten Dame und die Selbstfindung eines Teenagers werden von der Autorin gekonnt miteinander verwoben. Einfühlsam, leise und gefühlvoll entwickelt sich eine Freundschaft, mit der niemand gerechnet hat. Eigentlich soll Molly nur den Dachboden für Vivian entrümpeln. Doch je länger die beiden Frauen die alten Dinge betrachten, desto näher kommen sie sich. Mit jedem Fundstück kehren mehr Erinnerungen zurück und Vivian beginnt, Molly von ihrem Leben zu erzählen. Die Handlungsstränge werden durch Kapitel und Jahreszahlen getrennt erzählt, sodass man der Geschichte gut folgen kann.

Besonders Vivian wirkt sehr authentisch und lebendig. Zusammen mit ihr durchlebt man all die schrecklichen Dinge, die ihr widerfahren sind.



"Keine Erwartungen zu haben macht das Ganze leichter zu ertragen. Ich bin überzeugt, dass ich am Ende wieder im Zug landen werde, um an der nächsten Station wieder ausgeladen, mit den anderen verbleibenden Kindern vorgeführt und dann wieder zurück in den Zug verfrachtet zu werden."
Tief getroffen hat mich, wie dieses kleine Mädchen sich selbst eine Gefühllosigkeit auferlegt, um überleben zu können. Als erwachsene Frau trifft sie ein weiterer Schicksalsschlag, von dem sie sich nie ganz erholen wird und ihre Gefühle endgültig für sich behält.

Mich hat dieser Roman sehr berührt. Im Anschluss habe ich noch viel über die Orphan Trains gelesen und bin froh, durch diese Geschichte mehr darüber erfahren zu haben. 


Website der Autorin: http://christinabakerkline.com/


 
 

Freitag, 20. Januar 2017

Martin Luther von Maja Nielsen


https://www.gerstenberg-verlag.de/index.php?id=detailansicht&url_ISBN=9783836948876
    Erscheinungsdatum: 27.06.2016
    Verlag: Gerstenberg Verlag
    ISBN: 9783836948876
    Fester Einband: 64 Seiten

 
    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 
  Passend zum Reformationsjubiläum vermittelt das reich
  bebilderte Sachbuch einen Einblick in das Leben und Wirken
  Martin Luthers. Maja Nielsen schildert in verständlichen
  Worten, wie Martin Luther seinen vom Vater vorbestimmten
  Lebensweg für die Kirche verließ und zum Reformator wurde.
  Dank der gelungenen Illustrationen von Anne Bernhardi
 
kann man sich sehr gut vorstellen, wie Luther lebte. 

  Empfohlen ist das Buch für Leser von 12 bis 15 Jahren.

Durch viele Infoboxen, die den Sachtext begleiten, werden auch schwierige Sachverhalte gut verstanden. Für meine Kinder war es interessant zu erfahren, dass durch die Bibelübersetzung und seine zahlreichen Schriften Luther unsere heutige Sprache prägte und bis dahin unbekannte Wörter wie Lästermaul, Machtwort, friedfertig oder Lückenbüßer schuf. Vergessen wird aber auch nicht darauf hinzuweisen, dass Luther nicht nur positiv in der damaligen Zeit aufgefallen ist und heute auch kritisch gesehen wird. Hilfreich sind hier die zahlreichen und durchaus kritischen Kommentare von Margot Käßmann, die auch als Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017 tätig ist.

Am Ende des Buches findet sich eine Chronik zu Luthers Leben in Kurzform, um sich noch einmal einen Gesamtüberblick verschaffen zu können. Viele Tipps wie Museums- und Webadressen oder Film- und Buchhinweise machen neugierig, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen.

Zum Einstieg in das Thema Reformation ist das Buch sehr gut geeignet.



Sonntag, 15. Januar 2017

Taste of Love - Geheimzutat Liebe von Poppy J. Anderson


https://www.luebbe.de/bastei-luebbe/buecher/liebesromane/taste-of-love-geheimzutat-liebe/id_5720628
    Erscheinungsdatum: 13.01.2017
    Verlag: Bastei Lübbe
    ISBN: 9783404174683
    Flexibler Einband: 384 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 
  Mit seinem Bostoner Restaurant hat der smarte Koch Andrew
  Knight großen Erfolg, doch daran erfreuen kann er sich nicht.
  Er fühlt sich leer und ohne Elan. Ungeplant nimmt er sich vom
  Alltag frei und landet nach einem Autoschaden an seinem
  SUV in einem kleinen Küstenort in Maine. Brooke Day
  vermittelt ihm ein Gästezimmer über ihrem Restaurant, obwohl
  sie den angeberischen Städter eigentlich nicht leiden kann.
  Nicht nur die Kochkünste von Brooke können Andrew
  begeistern. Nur leider macht es ihm diese schlagfertige Frau
  nicht leicht.


Der Auftakt der kulinarischen Liebesroman-Serie "Taste of Love" beginnt frisch und unterhaltsam. Poppy J. Anderson bleibt ihrem schwungvollen Schreibstil treu, sodass man mit dem Lesen nicht mehr aufhören mag. Ein Rahmen aus Neuenglands kulinarischen Köstlichkeiten, die die beiden Hauptprotagonisten kochen, umfasst die Handlung und lässt einem das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Die Autorin hat folgendes Rezept verwendet: 

Man nehme
• Zwei Herzen voller Liebe
• Ein Berg voller Missverständnisse
• Buchseiten voller Charme und Elan
• Eine Prise Mitgefühl
• Jede Menge kulinarischer Köstlichkeiten

vermischt mit zwei wunderbar unterhaltsamen Charakteren ♂+♀, die frech und charmant miteinander verrührt werden.
Der "Kampf" zwischen Andrew und Brooke ist einfach erfrischend und temporeich geschrieben. Man sieht förmlich die Funken sprühen. Zwar ist es nicht überraschend, dass die beiden sich finden werden, aber der Weg dorthin macht Spaß.

Am Ende hätte ich gern etwas mehr Zeit zum Eintauchen in die Handlung erhalten, die Szenen überholen sich fast, bis es zum gelungenen Finale kommt.

Andrew und Brooke muss man einfach mögen. Ein toller Gute-Laune-Liebes-Roman, der Lust auf mehr Lesestoff und neugierig auf weitere Kochrezepte macht.




Die Rezepte aus dem Buch sind hier zu finden.

Hinweis: am 16.02.2017 geht es weiter mit "Taste of Love - Zart verführt"

Samstag, 14. Januar 2017

Das Fahrrad von Haseop Jeong


https://www.gerstenberg-verlag.de/index.php?id=detailkinderbuch&url_ISBN=9783836958714
    Erscheinungsdatum: 27. Juni 2016
    Verlag: Gerstenberg Verlag
    ISBN: 9783836958714
    Fester Einband: 48 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 
  Was ist ein Fahrrad und warum wurde es für die Menschen auf
  der ganzen Welt so wichtig? Diese Frage stellt sich heute fast
  niemand mehr, so selbstverständlich sind die Fahrräder auf
  unseren Straßen geworden.


Dieses hochwertige Sachbilderbuch von Haseop Jeong empfohlen für die
Altergruppe 10 - 12 Jahren beginnt mit dem Laufrad und endet mit modernen E-Bikes. Wunderschöne - an alte Skizzen erinnernde - Illustrationen von Cho Seunyeon zeigen den vielseitigen Einsatz von Fahrrädern. Über ein altes Feuerwehr-Fahrrad mit aufgerolltem Schlauch mag man heute schmunzeln, damals war es vielleicht die schnelle Rettung, bevor ein Haus abbrannte. Man erfährt, wie mutig Frauen und Männer schon Anfang des
19. Jahrhunderts sich allein auf ihrem Fahrrad auf Weltreisen begeben haben. Auch im Sport finden sich heute noch Rennräder, die viele Menschen begeistern.

Am Ende wird auf die Verkehrssicherheit mit den wichtigsten Vekehrszeichen hingewiesen und Tipps fürs Radfahren gegeben. Adressen von Museen, Fahrradclubs, Radreisen und anderen interessanten Dingen rund ums Rad runden die Informationen ab.

Meinen Söhnen hat besonders der Bericht über die heutigen Fahrradhauptstädte und den Hovenring in den Niederlanden gefallen. Die Zeichnung veranschaulicht, dass in der Zukunft vielleicht bald den Radfahrern mehr Platz auf den Straßen eingeräumt wird.

Dieser tolle Sachbuch-Schatz ist nicht nur für kleine Fahrrad-Fans zu empfehlen.




Dienstag, 10. Januar 2017

Solange ich in deinem Herzen bin von S.D. Robertson



https://www.harpercollins.de/buecher/gegenwartsliteratur/solange-ich-in-deinem-herzen-bin
    Erscheinungsdatum: 09.01.2017
    Verlag: HarperCollins
    ISBN: 9783959670739
    Flexibler Einband: 336 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 3,5 von 5 Punkten 
  Durch einen Verkehrsunfall stirbt der 36-jährige Journalist
  Will, als er gerade auf dem Weg zu seiner 6-jährigen Tochter
  Ella ist. Fassungslos betrachtet Will, der als Seele
  zurückbleibt, wie seine kleine Tochter mit der schrecklichen
  Wahrheit konfrontiert wird. Um ihm den Abschied von Ella zu
  erleichtern, darf er für eine kurze Zeit von zwei Monaten noch
  auf der Erde bleiben. Doch Will kämpft um mehr, er möchte
  für immer an ihrer Seite bleiben.


Wie fühlt es sich an, wenn einen der Tod überraschend ereilt? S.D. Robertson gelingt es aus Sicht eines Verstorbenen, eine berührende Geschichte zu erzählen. Hauptprotagonist Will stirbt gleich in der ersten Zeile, sodass man als Leser nur die Bekanntschaft mit seiner Seele macht. Zwar glaube ich nicht an Geister oder Seelen, die zwischen uns Lebenden wandeln, aber Wills Seele wird so glaubhaft beschrieben, dass ich mich auf die Geschichte einlassen konnte.


"Gott, ich bin tot, dachte ich. Die schreckliche Wahrheit wurde mir langsam bewusst. Ich bin tatsächlich tot. Mein Leben ist vorbei. Ich werde Ella nie wieder in die Arme nehmen. Ich werde ihr nie wieder die Haare flechten, beim Zähneputzen helfen oder eine Geschichte vorlesen. All diese kleinen Dinge, die für mich immer ganz selbstverständlich waren, sind verloren. Für immer."
Es berührt einen, wie Will seine kleine Tochter beobachtet und verzweifelt versucht, sie noch einmal in die Arme zu nehmen, denn ihm wurden seine physischen Möglichkeiten genommen. Obwohl er durch seine Lotsin Lizzie eine Art Anleitung für Seelen erhält, muss er immer wieder feststellen, wie schwierig und unvollkommen sein Dasein ist. Für Will steht von Anfang an fest, dass er seine Tochter nicht allein auf der Welt lassen möchte. Doch je länger er an ihrer Seite weilt, desto mehr erkennt er, dass es auch Schattenseiten gibt, die nicht nur ihn belasten würden. Nach Ablauf von zwei Monaten muss er sich entscheiden, ob er für immer bleibt oder sich vom Licht davonführen lässt.

Die kleine Ella leidet natürlich am meisten unter dem Verlust. Als Vollwaise findet sie Halt bei ihren Großeltern und ihrer Tante. Aber niemand kann ihren Vater ersetzen. Mir tat dieses Mädchen so unendlich leid. Besonders als Mutter kann ich die enge Bindung zwischen Vater und Tochter gut nachvollziehen.

Der bedrückende, leise und ansprechende Anfang weicht mit der Zeit einer immer aufgebauschteren Handlung. Ein Schicksalsschlag scheint dem Autor nicht zu reichen, es kommt zu einem weiteren Todesfall in der Familie, der auch noch durch ein Geheimnis an Wichtigkeit gewinnt. Mir sind es ein wenig zu viele sehr harte Schicksalsschläge, die hier in so kurzer Zeit aufeinanderfolgen. Ella gerät mehr und mehr in den Hintergrund und Will läuft die Zeit davon.

Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist ein wichtiges Thema, das häufig verdrängt wird. Der Ansatz dieser Geschichte ist sehr gelungen und hilft sicherlich auch bei der Trauerbewältigung. Man muss sich aber darauf einlassen können, dass es ein Existieren nach dem Tod geben kann.

Das Ende konnte mich zwar überzeugen, doch die Anhäufung der kurz aufeinanderfolgenden Schicksalsschläge in der Familie war mir zu konstruiert und unglaubwürdig. Der Autor hätte für meinen Geschmack bei den leisen Momenten bleiben sollen.

 

Sonntag, 8. Januar 2017

Nach einer wahren Geschichte von Delphine de Vigan - Hörbuch


https://www.randomhouse.de/Hoerbuch/Nach-einer-wahren-Geschichte/Delphine-Vigan/Random-House-Audio/e509096.rhd
    Erscheinungsdatum: 22.08.2016
    Verlag: Random House Audio
    ISBN: 9783837136418
    CD: 8 CDs, Laufzeit: 9h 37min

    Hörprobe

    Meine Bewertung: 4,5 von 5 Punkten 
  Der schriftstellerische Erfolg ist für Delphine ein
  zweischneidiges Schwert. Ihre Leser erwarten einen neuen
  Bestseller von ihr, doch ihr bleiben die Ideen aus. Gerade in
  diesem Moment der Krise taucht L. in ihrem Leben auf. Ganz
  selbstverständlich und scheinbar uneigennützig kümmert sie
  sich um Delphine, wird ihre Vertraute und beste Freundin.
  Doch Delphine entdeckt Ungereimtheiten an deren Identität
  und erste Zweifel kommen ihr an L.'s Aufrichtigkeit. Sie
  versucht sich zu lösen, Abstand zu gewinnen, aber L.
  übernimmt die Kontrolle, bis es fast zu spät ist.


Delphine de Vigan spielt gekonnt mit der menschlichen Vorstellungskraft. Schon bevor man die ersten Szenen erlebt, beginnt das Spiel. Zufall, dass die Hauptprotagonistin den gleichen Vornamen wie die Autorin trägt oder erzählt sie ihre eigene Geschichte? Ist es möglich, dass man fremd bestimmt gegen den eigenen Willen gesteuert wird, ohne es zu merken, es sogar als Hilfe ansieht? Unvergleichlich gut gesprochen von Martina Gedeck erlebt man im Hörbuch das facettenreiche Spiel um Fiktion und Wirklichkeit.

Schon zu Beginn erfährt man, dass L. - im französischen ausgesprochen "elle" also "sie" - von Delphine für ihre Schreibblockade verantwortlich gemacht wird. Das Warum steht hier im Vordergrund.

"Heute weiß ich, dass einzig und allein L. der Grund für meine Schreibunfähigkeit war. Und dass mich die beiden Jahre, in denen wir in Beziehung standen, fast endgültig zum Schweigen gebracht hätten."
Delphine erzählt in der Ich-Form von ihrer Begegnung mit L., einer Ghostwriterin. Anfänglich harmlos entsteht ein Disput der Frauen, über den Inhalt des neuen Romans. Dabei wird gekonnt die Autor-Leser-Beziehung betrachtet. Wie viel darf ein Autor von sich selbst aufgeben, um die Erwartungshaltung seiner Leser nicht zu enttäuschen. Dann fassungslos, verfolgt man den Wandel der beiden Frauen. Die anfänglich zurückhaltende L., die Delphine als Autorin schätzt, übernimmt mehr und mehr deren Rolle. Kopiert ihr Aussehen, übernimmt als Doppelgängerin Lesungen und beantwortet deren E-Mails oder ist dies nur eine Erfindung von Delphine, die mit ihrem Erfolg nicht zurechtkommt.

Man stellt sich die Frage, ob dies eine Erfindung von Delphines Krise sein kann oder dies alles wirklich geschehen ist? Der Roman wandelt sich zum Psychothriller, der Steven Kings Kapitelüberschriften immer ähnlicher wird. Ein kluges Verwirrspiel beginnt, an dessen spannungsgeladenem Ende man nicht sagen kann, welcher Version man nun Glauben schenken soll.

Dieser Roman hat mich nicht von Anfang an in seinen Bann gezogen, am Ende aber alle Register gezogen, um mich sprachlos zurückzulassen.

 


Freitag, 6. Januar 2017

Der Blackthorn-Code - Das Vermächtnis des Alchemisten von Kevin Sands



https://www.dtv.de/special-kevin-sands-der-blackthorn-code/der-blackthorn-code/c-1145
    Erscheinungsdatum: 14.10.2016
    Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
    ISBN: 9783423761482
    Fester Einband: 336 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 
  Für den Waisenjungen Christopher Rowe in London des
  17. Jahrhunderts ist es ein Glücksfall, dass er als Lehrling
  beim Apotheker und Alchemisten Benedict Blackthorn
  aufgenommen wurde. Er lernt nicht nur Heilmittel
  herzustellen, sondern wird auch mit der Wissenschaft
  vertraut gemacht. Bis zum Abschluss seiner Lehre wäre er
  hier gut aufgehoben, doch unheimliche Morde passieren
  in der Stadt und sein Meister wird bedroht. Zusammen mit
  seinem Freund Tom will Christopher dem Geheimnis der
  Mörder auf die Schliche kommen.


Kevin Sands ist mit seinem Debüt-Roman ein sehr spannender historischer Jugendbuchroman gelungen. Die Geschichte begeistert nicht nur die Altersgruppe ab 11 Jahren, für die das Buch empfohlen wird. Durch den Ich-Erzähler Christopher Rowe erlebt man London im Jahre 1665 sehr bildhaft und lebendig. Es stinkt, ist schmutzig, laut und voller Gefahren. Wer hier überleben will, muss sich an die Regeln halten. Fasziniert folgt man Christopher in die Welt der Alchemisten und staunt über ungewöhnliche Rezepturen, die nicht nur als Heilmittel eingesetzt werden. Es qualmt, knallt und explodiert, wenn Christopher wieder einmal unerlaubt die Mixturen seines Meister für Experimente nutzt.
"Der Knall riss mir beinahe beide Ohren ab. Ich sah eine Flammenzunge und dann eine Rauchwolke, und dann schlug die Röhre nach hinten wie der Huf eines aufgebrachten Ochsen."
Meister Benect Blackthorn ist ein gutmütiger Meister, der über manche Dummheit Christophers hinwegsieht, denn er erkennt in ihm einen schlauen und gelehrigen Schüler. Deshalb weist er ihn auch in geheime Verschlüsselungs-Codes für seine Rezepturen ein und gibt ihm schwierige Rätsel zu lösen, die den Jungen unbewusst auf eine große Aufgabe vorbereiten. Besonders diese Rätsel machen einen besonderen Reiz aus, denn als Leser knobelt man ein ums andere Mal mit, wie sich denn wohl ein geheimnisvoller Würfel oder eine Tür öffnen lassen.

Die Mischung aus Geschichte, geheimnisvoller Alchemie und spannender Mörderjagd fesselt und lässt einen in die Handlung eintauchen. Auf die Fortsetzung bin ich schon sehr gespannt.
  





Dienstag, 3. Januar 2017

Rendezvous im Café de Flore von Caroline Bernard


http://www.aufbau-verlag.de/index.php/literatur-unterhaltung/romance/rendezvous-im-cafe-de-flore.html
    Erscheinungsdatum: 14.11.2016
    Verlag: Aufbau Taschenbuch
    ISBN: 978-3-7466-3271-1
    Flexibler Einband: 432 Seiten

    Leseprobe

    Meine Bewertung: 4 von 5 Punkten 
  Im Jahr 1928 träumt die junge Vianne davon, Botanikerin im
  Jardin des Plantes in Paris zu werden. Doch bis zum
  Erreichen des Ziels muss sie hart arbeiten. David, ein
  englischer Maler, wird ihre große Liebe. Durch ihn lernt sie
  die lebenslustige Künstler-Avantgarde und das
  Bohème-Leben kennen. Doch dann kommt der Krieg. Ein
  Bild einer Frau übersteht die Jahrzehnte und wird im Musée
  d´Orsay von Marlène überrascht betrachtet. Denn sie erkennt
  sich selbst auf diesem Gemälde. Marlène möchte mehr über
  diese Frau erfahren und erfährt dabei nicht nur etwas über
  ihre Familie, sondern auch über sich selbst.


Paris, eine Metropole, die wie keine andere Stadt für ein Lebensgefühl steht. Caroline Bernard hat ihre Leidenschaft für diese Stadt mit französischem Esprit gekonnt in bunte, sprechende Bilder umgesetzt. Zusammen mit Vianne und Marlène schlendert man durch die Straßen, bestaunt die Sehenswürdigkeiten und lässt sich von dem besonderen Flair gefangen nehmen.
"Das ist das Schöne an Paris. Ganz egal, wo man sich befindet, in jeder Straße kann man eine Entdeckung machen und dem Zauber dieser Stadt erliegen."
In zwei Zeitebenen stehen zwei sehr unterschiedliche Frauen und ihre Beziehungen im Vordergrund. Besonders die mutige Vianne ist bewundernswert und sehr stark beschrieben. Anfang der 30er-Jahre flieht sie vor dem vorgezeichneten Weg aus der Provinz nach Paris. So wie sie zog es viele Menschen vom Land in die Stadt: „Monter à Paris“, „nach Paris aufsteigen“, nannte man es. Sie wählt einen für diese Zeit noch ungewöhnlichen Weg. Statt sich durch eine Heirat abzusichern, lebt sie in einer freien Beziehung mit dem Maler David zusammen. Auch in der Kriegszeit kehrt sie der Stadt nicht den Rücken, sondern schließt sich der Résistance an und steht für eine Vielzahl von Frauen, die ihr Leben riskierten.

Die zweite Hauptprotagonistin ist die Mittvierzigerin Marlène, die in der heutigen Zeit mit ihrer Ehe hadert. Erst eine Reise mit ihrem Mann nach Paris weckt ihre Lebensgeister und ihre fast schon vergessene Leidenschaft für die Stadt. Als ehemalige Kunsthistorik-Studentin führt sie ihr Weg ins Museum und damit in einen neuen Lebensabschnitt.

Mir hat dieser stimmungsvolle Roman sehr gefallen. Paris ist auf jeden Fall eine Reise wert und man spürt durchgehend die Leidenschaft und Leichtigkeit dieser Stadt. Vianne ist eine starke Romanfigur, die man nicht so schnell vergisst.


(Foto Café de Flore)
Das Café de Flore http://cafedeflore.fr/ gibt es tatsächlich in Paris.