Sonntag, 12. Februar 2023

Das glückliche Geheimnis von Arno Geiger


Wie ist man Schriftsteller und nicht mehr Schreiber? Wie findet man seinen Weg und schlägt die richtige Richtung ein? Arno Geiger gewährt autobiografische Einblicke auf seinen Werdegang mit all seinen kleinen und doch einschneidenden Erlebnissen.


Arno Geigers Schreibstil fesselt selbst an Stellen, die nur Alltägliches beschreiben. Er legt mit einer Leichtigkeit den Finger in Wunden, die man gar nicht gesehen hat. Jahrzehntelang schaut man als Lesende dem Autor über die Schulter und nimmt selbst die leisesten Schwankungen wahr. Sein Leben ist nicht aufregend oder dramatisch. Vielmehr wirkt es teilweise langatmig und unspektakulär. 

Seine Unruhe kompensiert Geiger, indem er lange Streifzüge durch die Straßen Wiens unternimmt. Sein Blick wandert in Altpapiertonnen und abgestellte Kartons voller Briefe, Bücher, Postkarten und Aufzeichnungen. Besonders gut erhaltene Fundstücke verkauft er auf dem Flohmarkt und hält sich so über Wasser. Er rettet ab und an alte Schätze vor der Zerstörung und lässt das Herz eines Antiquars  höher schlagen. 

Er liest Briefwechsel unbekannter Personen, blättert sich durch Tagebücher oder banale Aufzeichnungen und immer wirken diese Texte wie aus der Zeit gefallen, dauerhaft lebendig.

"Der Mensch ist nicht frei, wenn er betrachtet, das ist mir klar. Aber mit Sicherheit freier, wenn er jemand Unbekannten betrachtet. Zu den Menschen deren Lebenszeugnisse ich lese, stehe ich in keiner persönlichen Beziehung. Deshalb gehe ich an die Lektüre so unvoreingenommen heran,...."

Sehr interessant sind die Passagen, die zeigen, wie häufig Geigers Texte von Verlagen nicht erkannt oder verkannt werden. Nicht immer gelingt es nach einem Erfolg weitere Romane zu veröffentlichen. Ein vermeintlicher Selbstläufer wird einfach nicht veröffentlicht und eher unerwartet leichte Texte finden schnell Abnehmer.  

Viel Raum wird den Affären und Beziehungen des Autors gegeben, die eher zermürbend, langsam ohne Botschaft die anderen Zeilen begleiten. Viele Jahre scheint Geiger sich zu fragen, ob und wie eine Beziehung zu führen ist. In diesen Beschreibungen habe ich keine Botschaft gefunden, die den Sinn des Geschriebenen vermittelt hätte. 

Selbst als erfolgreicher Schriftsteller gibt er seine Altpapier-Suche nicht gänzlich auf, wird nur wählerischer und zieht seine Erkenntnis:
 "Auch im Abfall war der Umbruch im Zeitungswesen wahrnehmbar. Die Druckerschwärze wurde weniger. Die Pizzakartons wurden mehr. Handschriftlich Geschriebenes verschwand fast zur Gänze, ich wohnte dem allmählichen Untergang einer Kultur bei."

Mich haben diese Abschnitte sehr nachdenklich gemacht. Was passiert mit uns, wenn Dinge nur noch digital festgehalten werden. Hat eine Kurznachricht den gleichen Wert wie ein liebevoll geschriebener Zettel, den man verknittert und befleckt im Portemonnaie aufbewahrt?

Auch wenn mich dieser Roman durch viele Längen und für mich nicht greifbare Abschnitte nicht übermäßig begeistern konnte, habe ich die Kraft der Worte geschätzt. 

Von mir gibt es 3,5 von 5 Punkten

Buchinformationen
Erschienen: 10.01.2023
Verlag:  Verlag
ISBN: 9783446276178
Fester Umschlag
Seiten: 240





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