Mittwoch, 24. Juni 2020

Ich bleibe hier von Marco Balzano

Erscheinungsdatum: 24.06.2020    
Verlag:
Diogenes     ISBN: 978-3-257-61007-9    
eBook
288 Seiten     Leseprobe

Meine Bewertung: 5 von 5 Punkten 
Idyllisch und ruhig liegt das kleine Bergdorf Graun in den Bergen. Doch ruhig dürfen die Menschen hier nicht leben. Die Faschisten zwingen die deutschstämmigen Bauern italienisch zu sprechen und verbieten deutsche Schulklassen. Für die gerade erst als Lehrerin tätige Trina ein Unglück. Drohend hält sich das Gerücht, dass ein Stausee gebaut werden soll, der Land und Gut überfluten könnte. Durch den 2. Weltkrieg geht ein Bruch durch das kleine Dorf. Viele flüchten nach Deutschland, doch Trina trotzt den Kriegsgefahren und bleibt ihrer Heimat und Graun treu.
Viele sind schon am Reschenstausee vorbeigefahren. Haben den Kirchturm mitten im Wasser bestaunt, ein Foto gemacht und sind weitergefahren. Marco Balzano gibt diesem geheimnisvollen Ort in Südtirol ein Gesicht. Seine beeindruckende Recherche verleiht dieser Geschichte einen besonderen Reiz. In Graun haben sich unglaublich traurige und leidvolle Dinge zugetragen, die durch diesen bewegenden Roman lebendig werden.

Hauptfigur ist die Erzählerin Trina, die ihre Geschichte durch Briefe an ihre Tochter lebendig werden lässt. Glückliche Kindertage weichen schnell der Angst vor den Faschisten. Die kleine deutschstämmige Minderheit in den Bergen ist der italienischen Regierung ein Dorn im Auge. Man fühlt diese Bedrohung in jeder Zeile, Kinder und Lehrerinnen verstecken sich, um deutschsprachigen Unterricht abhalten zu können. Trotz des kargen Lebens gibt es aber auch eine Zufriedenheit, die man wohl nur fühlt, wenn man in den einsamen Bergen aufgewachsen ist. Der Nationalsozialismus zerreißt die Ruhe endgültig. Südtirol wird zum Spielball der Kriegsnationen. Ein Schicksalsschlag nach dem anderen ereilt Trina, die sich am Ende in die Winterkälte der weißen eisigen Gipfel flüchtet, um zu überleben.

Doch wer meint, der Krieg hätte schon genug Schaden angerichtet, der liegt falsch. Ein Energiekonzern nimmt sich dem lange brachliegenden Stauseeprojekt an, gepuscht von den Schweizern, rollen Maschinen und Arbeiterlawinen ins Tal. Zu spät wachen die Bergbauern aus ihrer Lethargie auf und jeder Versuch sich zu wehren, wird zunichtegemacht. Trina, als sprachbegabte Lehrerin, setzt unzählige Schreiben auf, kämpft weiter für ihren Heimatort.
"Ein so reiches, friedvolles Land wie das unsere für einen Staudamm zu opfern sei einfach unmenschlich. Einen Staudamm kann man anderswo bauen, .... eine einmal verwüstete Landschaft kann nie mehr auferstehen."
Mich hat dieser Roman sehr bewegt. Ich wandere gern durch Südtirol. Muss aber gestehen, dass ich mich nie intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt habe. Trina steht für viele Südtiroler, die Heim und Familie verloren haben. Deren Geschichte niemand mehr erzählt.

Geschichte wird hier beeindruckend zum Leben erweckt, regt zum Nachdenken und Recherchieren an. Danke, für diesen wundervollen Roman.

1 Kommentar:

  1. Hallo liebe Gela, ich hatte Dich für sehr lange Zeit vermisst , aber nun bin ich über LB wieder auf Deinen Blog gekommen. Möchtest Du bei mir auf der Blogroll-Liste verlinkt werden? Dein oben rezensiertes Buch habe ich gerade angefangen und bin total berührt und gefesselt von der Lektüre, zumal ich dort schon so oft im Sommer- und Winterurlaub gewesen bin!
    GLG Angela vom Literaturgarten

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